Wie Ihr wisst, hatte ich ein paar „Kleine religiöse Büchlein“ geschrieben (siehe Kleine religiöse Büchlein ) und möchte noch eines hinzufügen, das „Von der Identität“ handeln wird.
Hier jetzt erste Textproben:
Das ist eine Puppe
Im Büchlein „Über die Realität“ habe ich mich zu einem Satz verstiegen, wo ich behaupte:
Alles, was mit sich selbst ident ist, ist ein Teil der Realität.
Die Identität ist eine wesentliche Sache, wenn wir Menschen das Universum erfassen.
Und es ist tatsächlich so simpel, dass man es einem kleinen Kind nicht erklären muss.
Ganz einfach geht die Identitätsbildung vor sich, indem man einem Kind einen Gegenstand zeigt und dazu sagt:
„(Das ist ein) Ball“
oder
„(Das ist eine) Puppe“.
Das ist eine natürliche Sache, die sehr simpel funktioniert.
Erst später beginnen wir, darüber nachzudenken.
Wenn der Puppe ein Arm ausgerissen wird, und wir ersetzen den Arm durch einen Ersatzarm – ist das immer noch dieselbe Puppe?
Angenommen, ich ersetze an einem Ding einen Teil nach dem anderen, bis alle Teile ersetzt worden sind. Bleibt es immer noch dasselbe Ding?
Wie ist das mit den Elektronen in einem Molekül?
Kann man da die einzelnen Elektronen voneinander unterscheiden? Handelt es sich immer um dieselben Elektronen? Oder sprechen wir nicht viel eher von einem „Elektronengas“ oder von unanschaulichen „Quantenzuständen“?
Sind Atomkerne mit sich selbst ident? Könnte man alle Atomkerne der Welt – zumindest theoretisch – durchnumerieren und man hätte dann lauter individuelle Atomkerne?
Oder wabert das ganze Universum als eine undefinierbare Materiewolke vor sich hin und die Identitäten, die wir wahrnehmen, sind eigentlich Schimären, die unsere Eltern uns eingeredet haben?
Na, und bei den materiellen Realitäten – also bei Atomen und Molekülen – nennen wir sie einfach einmal „die Wirklichkeit“ – ist es ja noch vergleichsweise einfach.
Aber was ist mit den immateriellen Realitäten – nennen wir sie einfach mal die „Wahrheit“?
Ist Darth Vader immer derselbe, ganz egal, ob er von John im mittleren Westen, von Jacques in Paris oder von Erik in Norwegen perzipiert wird? Meinen wir alle dasselbe, wenn wir von Darth Vader sprechen, lesen und hören?
Der Streit geht auseinander, manche Leute behaupten, literarische Wahrheiten seien klarer definiert als so manche historischen Wahrheiten. Über Peter Pan wissen wir mehr, als über den historischen Jesus Christus – das neue Testament ist kein Geschichtsbuch, sondern eine Sammlung von Geschichten, wenngleich einige historische Tatsachen zugrunde liegen.
Und so ist diese grundlegende Frage, dieses „Was ist das?“, bzw. dieses „Wer ist das?“ eine Frage, die uns nie ganz losläßt, nie ganz loslassen wird.
Zeit, darüber ein kleines Büchlein zu schreiben.
Identität ist notwendig für Beziehung
Wenn mir meine Mutter gesagt hat „das ist ein Ball“, dann hat sie mir ermöglicht, mit dem Ball in Beziehung zu treten.
Und sie hat mir ermöglicht, anderen Menschen über meine Beziehung zu dem Ball zu erzählen: „Böser Ball hat mir weh getan“.
Identität folgt also nicht aus den Naturgesetzen, sondern Identität ist eine notwendige Voraussetzung, um Modellbildung betreiben zu können.
Erst nach der Modellbildung sind wir überhaupt in der Lage, Naturgesetze zu formulieren.
Sollte z.B. ein Quantentheoretiker unter meinen Lesern das Gegenteil herleiten können, bitte ich darum, mich zu korrigieren.
So liege der Verdacht nahe, dass die Identität etwas sei, das wir Menschen hauptsächlich aus psychosozialen Gründen benötigten, und das wir aus diesem kühlen Grunde „in das Universum hineininterpretierten“.
Damit wir uns nicht so verdammt alleine fühlten, beseelten wir die Natur, dächten uns alle möglichen Götter aus und ausserdem glaubten wir, dass der Mensch dazu erschaffen sei, die wahre Liebe zu finden.
Ewige Sehnsucht.
Aber auch ewige Triebkraft.
Einander kennzulernen, die wahre Identität zu entdecken, was versteckt sich hinter der Fassade?
Neugier.
Hoffnung.
Und Enttäuschung.
Reif durch Enttäuschung
Eine Enttäuschung ist immer auch eine Ent-Täuschung.
Nach einer Enttäuschung ist man um eine Täuschung ärmer, aber auch um eine Erfahrung reicher.
Und man ist näher an der Wahrheit. Wahres Ziel unserer Sehnsucht.
Nicht mehr ge-täuscht, sondern ent-täuscht.
Es gibt (nur) einen Gott
„Oida, ich sag‘ Dir. Mein Gott ist besser als Deiner. Der wird ihn fertig machen. Sag‘ ich.“
Es gibt immer noch Menschen, die an den Spruch glauben „Wir sind die Guten und die Anderen müssen besiegt werden“.
Jetzt kommt die Ent-Täuschung: „Du, und ich, wir glauben an denselben Gott – es gibt nur einen“.
Wenn wir uns streiten, dann stellen wir uns beide gegen Gott, den Herrn des Universums, der unser Vater ist und unser Bestes will.
Es gibt nichts, was so sehr mit sich selbst ident ist, wie dieser Gott.
Und wenn wir auch ein Fünkchen dieser Identität, dieser Gegenwart, in uns spüren, dann sind wir schon große Hoffnungsträger.
Diese große Einigkeit, dieser große Frieden, diese Gelassenheit, diese Freude, dieses Kindsein und diese Hoffnung.