Liebe Leser!
Jeder, der einmal einem Systemadministrator bei der Arbeit zugesehen hat, kennt die erschreckende Wahrheit:
Auf unseren modernen Computersystemen besteht alles nur aus Bits und Bytes, die der Besitzer des Computers beliebig manipulieren kann.
Der Systemadministrator, der sogenannte „root user“, kann alles: Dateien löschen, modifizieren, umbenennen, von einem User zu einem anderen verschieben und – mit einem Wort – beliebig manipulieren.
Computer sind die denkbar schlechteste Technologie, um BLEIBENDE WAHRHEIT DARZUSTELLEN, zum Beispiel Finanztransaktionen oder Eigentumsverhältnisse, wie das Grundbuch o.ä.
In meinen letzten beiden Artikeln habe ich nun versucht, die aktuellen Probleme des Urheberrechts und des geistigen Eigentums kurz darzustellen:
Erstens war da die Erfindung der Druckerpresse und letzten Endes eben die Erfindung der Digitaltechnik:
https://letztersein.com/2023/02/04/digitalisierung-und-eigentum/
Zum Schluß habe ich dann angekündigt, dass ich noch ein paar Worte über die Blockchain loswerden möchte.
https://letztersein.com/2023/02/25/der-moderne-katechismus/
Der unabhängige, vertrauenswürdige Dritte
Wenn ich meiner Tochter elektronisches Geld senden möchte, dann benötige ich einen unabhängigen, vertrauenswürdigen Dritten, nämlich meine Bank, die der ganzen Welt bestätigen kann, dass ich das Geld tatsächlich abgesendet habe.
Trotzdem heißt die Buchungszeile auf meinem Kontoauszug noch lange nicht, dass das Geld auch tatsächlich angekommen ist.
Meine Bank könnte ja – natürlich unabsichtlich – einen Fehler gemacht haben.
Deswegen vergewissere ich mich – bei wichtigen Überweisungen – telefonisch, ob das Geld auch tatsächlich angekommen ist (im Idealfall hat meine Tochter dann einen PHYSIKALISCHEN GELDSCHEIN in der Hand).
Das Vertrauen in die großen Institutionen schwindet
Wir haben gesehen: ein Geldschein ist juristisch eine SACHE, die ich TATSÄCHLICH besitzen kann. Die Bits und Bytes auf den Computersystemen haben die SACHEIGENSCHAFT nicht, sie sind literarische Werke, für deren Echtheit der HERAUSGEBER garantieren muss.
Heutzutage schwindet das Vertrauen in die großen Institutionen – man merkt das auch an der Inflation des Euro – deshalb wird auch eher den Kryptowährungen vertraut, bei denen man eigentlich gar nicht so genau weiss, wer EIGENTLICH dahinter steckt.
In der Not frisst der Teufel Fliegen.
Aber ist die Blockchain wirklich etwas Schlechtes?
Eigentlich nicht.
Warum?
Man erspart sich den unabhängigen, vertrauenswürdigen Dritten, man nimmt also eine große Sicherheitslücke aus dem System.
Die große Sicherheitslücke ist nur das Internet an sich, welches kein umfassendes Blackout haben darf. In diesem Falle wäre dann „wirklich alles für die Katz“.
Aber was leistet eine Blockchain?
Eine Gruppe von (natürlichen oder juristischen) Personen kann mit Hilfe einer Block Chain GEMEINSAM eine „stetig wachsende elektronische Wahrheit“ definieren (papierlos!!!), wobei es kein volles gegenseitiges Vertrauen braucht. Und keinen unabhängigen Dritten, dem alle vertrauen MÜSSTEN.
Die GEMEINSAME ELEKTRONISCHE WAHRHEIT wird im Wesentlichen dadurch garantiert, dass jeder eine dynamisch wachsende Kopie der gesamten Wahrheit bekommt, und dadurch Manipulationen an den älteren Buchungen de facto nicht möglich sind.
Jeder Block in dieser Kette von Blöcken wird von genau einem der Mitglieder unbestreitbar angelegt und kann dann nicht mehr verändert oder gelöscht werden. Alle Mitglieder können auf die gesamte, stetig wachsende, Kette zugreifen.
Welche Art von Daten man in den Blöcken speichert, das obliegt jeweils demjenigen der den Block (oder man kann auch sagen, die „Buchung“) anlegt.
Sollten sich einige der Mitglieder entscheiden, Ihre Kopie der gemeinsamen Wahrheit vom Netz zu nehmen, dann wäre das kein Beinbruch, denn die Kopien der anderen Mitglieder blieben davon unberührt.
Und wenn sich ALLE Mitglieder entscheiden, die Blockchain vom Netz zu nehmen? Dann ist die Wahrheit natürlich futsch.
Aber das wird nicht passieren, weil man eine Block Chain nur dann aufsetzen wird, wenn es ein überwiegendes gemeinsames Interesse gibt, diese Wahrheit aufrecht zu erhalten, sodass man davon ausgehen kann, dass immer einige Mitglieder übrigbleiben, die die Wahrheit weiterhin pflegen.
Zum Beispiel könnten sich alle Notare Österreichs entscheiden, gemeinsam eine Block Chain zu betreiben, OHNE dass die Notariatskammer dafür garantieren müsste, dass es diese Block Chain immer geben wird.
In dieser Block Chain könnten sie beglaubigte Dokumente papierlos(!!!) speichern.
Das Urheberrecht
Mit Hilfe dieser Block Chain könnten die Notare auch Urheberrechtsurkunden für digitale Werke speichern. Natürlich müsste der Urheber dem Notar erst einmal beweisen, dass er wirklich der Urheber ist, was auf praktische Probleme stoßen wird.
Und wozu dann die Block Chain, wenn ich erst recht einen Notar brauche?
Na ja, alle Probleme kann ich auch nicht lösen.
Meint
Euer Christoph
P.S.: ich bin KEIN Experte für Blockchain Technologie und habe nur die Information kommentiert, die auf Wikipedia verfügbar ist.
Insbesondere bei dem Beispiel der „Notariats-Blockchain“ bin ich nicht sicher, ob es realistisch ist.