Von Sinn und Unsinn des Gewissens

Februar 20, 2022

Liebe Leser und Leserinnen,

Nun habe ich mir also tatsächlich vorgenommen, ein 14. „Kleines religiöses Büchlein“ zu schreiben, ein Büchlein über „Sinn und Unsinn des Gewissens“.

Was meine ich damit?

Nun, Gewissen „bewertet“. Vor allem bewertet es uns selbst.

Das heißt, es vollführt eine Transformation, die aus komplexen Lebenssituationen einen binären skalaren Ausdruck extrahiert, der nur zwei Werte annehmen kann: „gut“ oder „böse“ bzw. „ich fühl‘ mich gut“ oder „ich fühl‘ mich schlecht“.

Also ein Bit, ein binary digit.

Manche Menschen denken auch in Graustufen und kennen die Werte „sehr böse“, „ziemlich böse“, „einigermaßen böse“, „ein bißchen böse“, „kaum böse“, „neutral“, „kaum gut“, „ein bißchen gut“, „einigermaßen gut“, „ziemlich gut“ und „sehr gut“.

Anmerkung: von Regenbogenfarben reden wir (noch) nicht, obwohl es gerade hier angebracht wäre 😉

Und zuletzt hatten wir uns mit einem skalaren Zahlenwert beschäftigt, mit dem der Markt einen Haushalt bewertet, nämlich mit der sogenannten „Wertschöpfung“.

Aber dann sind wir dahintergekommen, dass Wertschöpfung im üblichen Sinn eigentlich nur im Zusammenhang mit der Wertschöpfungskette der Produktionseinheiten einen Sinn ergibt. Eine „gesamtmenschliche Wertschöpfung“ oder eine „weltwirtschaftliche Wertschöpfung“ ergibt beim besten Willen keinen Sinn (siehe Beispiele 1: Wertschöpfung), wenn man die übliche Definition der Wertschöpfung zugrunde legt:

Wertschöpfung = Produktionsergebnis – Vorleistungen
(Satz B1a-1)

Wir werten das als Hinweis, dass der Sinn des Lebens sicher nicht in der Produktion und im Konsum begraben liegt. Sinnlose Produktion oder sinnloser Konsum mag zu gewissen lokalen Wertschöpfungen beitragen, aber sie „bringen die Menschheit insgesamt nicht weiter“.

All das wird im 14. Büchlein zu ventilieren sein, doch möchte ich diesmal noch ein wenig den Begriff der Wertschöpfung aus Sicht des beliebten alleinerziehenden Softwareentwicklers in einer Großstadt detaillierter betrachten.

Unser Softwareentwickler ist also in der R&D Abteilung irgend eines Unternehmens angestellt, diese Abteilung verkauft eine Arbeitsstunde unseres Softwareentwicklers um 80 € an andere Abteilungen (die 80 € sind also ein „interner Stundensatz“).

D.h. also, unser Softwareentwickler verursacht durch seine Arbeit (genau genommen durch seine Anwesenheit 🙂 ) bei seinem Chef einen Umsatz von 80 Einheiten.

Anmerkung: hier gilt Bruttoumsatz (BU) = Nettoumsatz = 80 Einheiten, weil ja für die interne Weitergabe meiner Arbeitsleistung im Unternehmen keine Umsatzsteuer verrechnet wird. Das ist auch gerechtfertigt, weil ja (fast) kein Transport der Leistung nötig ist. Die Umsatzsteuer dient ja im Allgemeinen dazu, die externen Kosten des landesinternen Gütertransports (Umweltschäden u. dgl.) abzudecken.

Nach Abzug des „gesamten Overhead“ (GO) bleibt für unseren Softwareentwickler ein Nettogehalt (NG) von 17 Einheiten.

Abb. B1a-1: Sicht des Programmierers (oben) /
Sicht des Arbeitgebers (unten)

Was dieser gesamte Overhead (GO=63) bedeutet, das wollen wir jetzt ventilieren.

GO aus Sicht des Softwareentwicklers

Aus Sicht des Softwareentwicklers ist der Nettogehalt (NG = 17 Einheiten) der Gegenwert für seinen persönlichen Beitrag zur Gesamtproduktion (ich würde ihn als „persönliche Wertschöpfung (PWS)“ bezeichnen).

Das, was ich als gesamten Overhead (GO = 63 Einheiten) bezeichne, ist aus seiner Sicht ein Maß dafür, wieviel äquivalente Dienstleistung durch seine Arbeit „ermöglicht“ *) wird.

Seine Arbeit „ermöglicht“ *) also die Finanzierung von insgesamt (NG + GO) / NG = 1 + GO/NG = 1 + 63/17 = 1 + 3.7 „äquivalenten Dienstleistern“ (inkl. seiner selbst).

Damit ist es also eigentlich eine „gemeinsame Anstrengung“, auf die er „den Schlußstein setzt“.

*) Eigentlich werden die Vorleistungen durch das Vertrauen darauf ermöglicht, dass sein Chef die Vorleistungen bezahlen wird. Dieses Vertrauen ist aber eng verknüpft mit dem Vertrauen, dass der Chef „jemanden hat“, der den Schlußstein auf die Vorleistungen setzen wird.

Der Erwerbstätige fühlt also umso mehr Stolz in seiner Brust, je kleiner die persönliche Wertschöpfung (PWS), bezogen auf den Bruttoumsatz (BU), ist, und er selbst und seine Familie trotzdem noch leben können (m.a.W. je mehr Umsatz er verursacht, und deswegen immer noch genug verdient, obwohl er möglichst wenig leistet).

Sollen wir uns vom Stolz leiten lassen? Das wäre noch zu ventilieren.

Recht auf Arbeit vs. Recht auf Arbeitsplatz

Im Artikel „Verortung des Ressourcenumsatzes“ (siehe HIER) hatte ich eine – etwas launige – Abhandlung gehalten, die versuchte die Begriffe „Arbeitgeber“ und „Arbeitsplatzgeber“ gegeneinander abzuwägen:

[…]In der allgemeinen Deklaration der Menschenrechte kann man im Artikel 23 lesen:

Artikel 23 (Recht auf Arbeit, gleichen Lohn)

  1. Jeder Mensch hat das Recht auf Arbeit, auf freie Berufswahl, auf gerechte und befriedigende Arbeitsbedingungen sowie auf Schutz vor Arbeitslosigkeit.[…]

Nun, dem ist nichts hinzuzufügen. Außer…… Ja, ich weiß ich bin ein i-Tüpferlreiter, aber eigentlich will ich kein „Recht auf Arbeit“, sondern ein „Recht auf einen Arbeitsplatz“.

Warum?

Der Arbeitgeber ist eigentlich kein Arbeitgeber, sondern ein ArbeitsPLATZgeber. Der ARBEITgeber bin schon ich, weil ich ja meine Arbeit hergebe – und dafür einen Gehalt bekomme.

Den ArbeitsPLATZ gibt aber der Unternehmer, und ich muss dafür bezahlen!

Warum muss ich für meinen ArbeitsPLATZ bezahlen?

Nun, aus meiner Sicht ist der Bruttoumsatz (BU) der Wert meiner Arbeit, unter der Voraussetzung, dass ich sie auf diesem Arbeitsplatz verrichte.

Ich kann den Wert GO (gesamter Overhead) also mit gutem Gewissen als die „Miete für meinen Arbeitsplatz“ interpretieren.

Der Chef meiner Abteilung stellt mir diesen Arbeitsplatz zur Verfügung, ich stelle meine Fähigkeiten und meine Arbeit zur Verfügung, gemeinsam erwirtschaften wir damit den Bruttoumsatz (BU).

Mein Anteil am Bruttoumsatz (BU) – nachdem die Kosten für den Arbeitsplatz abgezogen worden sind – ist der Nettogehalt NG (übers Jahr gerechnet, nach Steuerausgleich).

Darum ist es in meinem Interesse, dass der Arbeitgeber den Arbeitsplatz – auch mit meiner Hilfe – möglichst effizient gestaltet, was die Kosten für die Vorleistungen betrifft, damit mehr für mich übrig bleibt.

Man müßte also die Menschenrechte umformulieren:

Nicht das „Recht auf Arbeit“ sollte vom Staat gesichert werden, sondern das „Recht auf leistbare Arbeitsplätze“, dieses „abgestimmt auf die Lebenssituation der Einwohner und Einwohnerinnen“.

GO aus Sicht des Arbeitgebers / aus Sicht des Marktes

Für meinen Chef steht die Gesamtwertschöpfung der R&D Abteilung im Vordergrund, das sind in unserem Beispiel *) die gesamten Personalkosten:

  • PK = LK + IPVL
  • LK = Lohnkosten der internen Produzenten (inkl. Steuern und Sozialabgaben)
  • IPVL = Lohnkosten der internen Vorleister (inkl. Steuern und Sozialabgaben)

Unter der Voraussetzung, dass alle Beteiligten inkl. des Staates kostenoptimal arbeiten, sollte diese Gesamtwertschöpfung möglichst groß sein im Vergleich zu den externen Vorleistungen EPVL, um die Abhängigkeiten von externen Vorleistern klein zu halten.

Ausgenommen von dieser Regel sind Vorleistungen, die der Arbeitgeber selbst nicht so effizient (also kostengünstig) verrichten KANN, wie andere Wirtschaftseinheiten.

Solche Vorleistungen SOLLTE man – unter Berücksichtigung des Verursacherprinzips und unter Berücksichtigung des Prinzips von der gerechten Entlohnung – an unternehmensinterne, andere private oder öffentliche Dienstleister auslagern.

*) Wir gehen davon aus, dass unsere R&D Abteilung kein nennenswertes Vermögen besitzt. Damit hat sie auch keinen Anteil am Eigenkapital und muss keinen Reingewinn an die Eigentümer abliefern (als Rendite für das Kapital). Sie muss auch keine Abschreibungen für Sachvermögen finanzieren und um die Rechte kümmert sich die – zentrale – Patentabteilung. Im Gegenzug ist dafür der „interne Stundensatz“ ziemlich „mager“ ausgefallen.

Für unseren Softwareentwickler heißt das also

Im folgenden die Vorleistungen, die für unseren Software-Entwickler sichtbar sind. Alles, was ich hier vergessen / übersehen habe, bitte mir nachzusehen.

  • Öffentliche Vorleistungen (ÖVL)
    Anmerkung: wenn man die Länge der folgenden Liste mit der Größe des Balkens ÖVL in Abbildung B1a-1 vergleicht, sieht man die Effizienz, mit der die öffentlichen Dienstleister hier arbeiten
    • Arbeitnehmerbeiträge (ANB)
      • Pensionsversicherung
      • Arbeitslosenversicherung
      • Krankenversicherung
      • Arbeitsgesetz – Rechtssicherheit
      • Arbeiterkammer
      • gratis Bildung und Ausbildung bis zum Eintritt
      • Straßen für die Fahrt zur Dienststelle
      • Öffentlicher Verkehr zur Dienststelle
      • etc.
    • Arbeitgeberbeiträge (AGB)
      • gut gebildete/ausgebildete Jobanfänger und Quereinsteiger
      • Verschiedene Infrastruktur
        • für Dienstreisen
          • Straßen
          • Öffentlicher Verkehr
        • für Telekommunikation
          • Telekom Control (Rechtssicherheit)
      • Rechtssicherheit
        • Arbeitsverträge
        • Patente
        • Markenrechte
      • Wirtschaftskammer
      • Öffentliche Sicherheit
      • Sicherung des sozialen Friedens
      • etc.
  • Externe private Vorleistungen (EPVL)
    • Raummiete für das Büro
    • Strom, Hausmeister, Empfang etc.
    • Geleasedter Laptop
    • Geleasedte Monitore
    • IT Infrastruktur
  • Externe Vorleistungen im selben Unternehmen
    Anmerkung: diese sind „durch die Niedrigkeit des internen Stundensatzes“ bereits berücksichtigt
    • Reingewinn für die Eigentümer (inkl. Gewinnsteuer)
    • Vorstand, Aufsichtsrat
    • höheres Management
    • IT Support
    • HR Management
    • Patentabteilung
    • etc.
  • (Abteilungs)interne Vorleistungen (IPVL)
    • internes Management (LK für den Chef)
    • Teamleitung (LK für die Teamleiter)
    • Meine unproduktiven Stunden (Trainings, Administrative Tätigkeiten)

Meint

Euer Christoph


Fragmente zur Weltwirtschaft

Februar 9, 2022

Wenn man die gesamte Menschheit, bzw. sogar das gesamte Leben der Welt als einen „Haushalt“ modelliert, dann ergeben sich im Zusammenhang mit unserem „Standardmodell eines Haushalts H“ folgende Aussagen:

Standardmodell eines Haushalts H
  • Unsere „Umwelt“ ist der Weltraum mit den Himmelskörpern (Sterne, Planeten, Kometen, Asteroiden, …..)
  • Es gibt (noch) keinen „Äußeren Markt“ und weder Exporte noch Importe.
    • Es gibt also auch keine „globale Wertschöpfung“ (im herkömmlichen Sinn)
    • Die weltinterne Geldwirtschaft ist für unsere externen Beziehungen also (noch) egal
  • Der „Ressourcenumsatz“ mit der Umwelt (mit dem Weltraum) besteht aus
    • Sonnen- und Sternenlicht, Sternenstaub und kleineren Himmelskörpern (die eingeschlagen sind),
    • einigen Flügen zum Mond, der einen oder anderen Raumstation und einigen unbemannten „Botschaftern“ und „Pionieren“, die wir vorgeschickt haben.
    • Dieser Ressourcenumsatz besteht bisher nur aus sog. „freien“ Gütern*), weil wir dem Weltraum außer den Dingen, die er „von selber“ hergibt,
      • (bisher) beliebige Proben „entnehmen“ können, ohne Schaden anzurichten
      • und weil der Weltraum unsere „Botschafter und Pioniere“ (noch) in beliebiger Zahl aufnehmen kann
  • religiös: Wir sind uns schon ziemlich sicher, dass wir die „Krone des Sonnensystems“ sind, aber ob wir auch die „Krone der Schöpfung“ sind, wissen wir noch nicht (siehe auch Joh 10,16).

*) Im „erdnahen“ Weltraum stimmt das bekanntlich nicht mehr, Weltraummüll ist ja dort schon ein Problem

Fazit: die Weltwirtschaft als einen einzigen Haushalt zu modellieren, macht momentan noch selten Sinn (außer beim Weltraummüll, bei der Atmosphäre und bei den Weltmeeren, zum Beispiel).

Meint

Euer Christoph


Beispiele 1: Wertschöpfung (Beitrag „B1“)

Februar 7, 2022

In letzter Zeit schreibe ich hin und wieder einige meiner unmaßgeblichen Gedanken zur Wirtschaftstheorie in dieses Blog (siehe vor allem die Einleitung/Zusammenfassung Alles in allem (Beitrag „A“)), bin mir aber selber nicht sicher, warum ich das tue, vielleicht, weil es halt Spaß macht.

Zuallererst mußte ich natürlich definieren, dass sich in meiner Begriffswelt alles um den „Haushalt“ dreht. Laßt mich diese Definition hier ausnahmsweise wiederholen, weil sie mir so wichtig ist:

Ein „Haushalt“
ist eine Gemeinschaft von Personen,
die die gemeinsame „Bewirtschaftung“
von „Gütern“ und „Ressourcen“
betrifft.
(Satz A-1 = Satz B1-1)

Ein Haushalt kann also eine Familie sein (was dem ursprünglichen Begriff am nächsten kommt, und die Familie sei ja auch die „Keimzelle der Gesellschaft“, sagt man), es kann sich aber auch zum Beispiel um einen Staatshaushalt handeln oder um ein Unternehmen, einen Verein, eine Glaubensgemeinschaft oder sogar die Weltwirtschaft an sich (da sind dann halt die Exporte und die Importe gleich Null – solange der Kontakt zu den Außerirdischen noch nicht hergestellt ist 🙂 ).

Den Begriff „Güter“ verwende ich in Einklang mit der üblichen Wirtschaftstheorie als „materielle oder immaterielle Mittel, die der Bedürfnisbefriedigung dienen“.

Den Begriff „Ressource“ verwende ich jedoch nicht genau so, wie ihn die übliche Wirtschaftstheorie (vor allem die Betriebswirtschaftslehre) verwendet, weil ich Menschen nicht als Ressourcen bezeichnen möchte (HR möge mir verzeihen 🙂 ).

Mit dem Begriff Ressource meine ich
die Güter und die Aufnahmefähigkeit für Ungüter,

die von/in der Umwelt
gratis zur Verfügung gestellt werden.
(Satz B1-2)

„Ressourcen“ sind also in meinem Sprachgebrauch einerseits „freie Güter“ bzw. „freie Aufnahmefähigkeiten für Ungüter“, die die durch den Haushalt erreichbare Umwelt im Überfluß bereitstellt, sodass man dafür keinen Preis definieren kann, andererseits sind es „Gemeingüter“ bzw. „gemeinsam zur Verfügung gestellte Aufnahmefähigkeiten für Ungüter“, deren Bereitstellung zwar „externe Kosten“ in der Umwelt verursacht, für den fraglichen Haushalt aber gratis ist.

Anmerkung: die „vom fraglichen Haushalt erreichbare Umwelt“ ist nicht nur Natur. Auch andere Haushalte können Teil dieser Umwelt sein, wenn sie Ressourcen „in dieser Umwelt bereitstellen“.

Ich bezeichne also zum Beispiel auch freie Software (Open Source Software – ein freies Gut) als Ressource.

Man muß aber aufpassen, aus freien Gütern werden manchmal – oft rascher, als man denkt – knappe Güter, was wir aktuell an der Überfischung der Weltmeere oder bei der Aufnahmefähigkeit der Atmosphäre für Treibhausgase merken.

Unter dem Begriff „Bewirtschaftung“ verstehe ich – wieder im Einklang mit der üblichen Wirtschaftstheorie – die „planvolle Befriedigung von Bedürfnissen“.

Um was geht es also?

Diesmal möchte ich anhand der oben angeführten Begriffe das eine oder andere Beispiel ausarbeiten, um den Begriff der „Wertschöpfung“ (engl. „added value“) näher zu beleuchten.

Weiters möchte ich auf die beiden Arten der Wertschöpfung eingehen, die mit den Einkunftsarten zu tun haben (siehe auch den Beitrag Wo Tauben sind, fliegen Tauben zu):

  1. Wertschöpfung durch Überlassung von Vermögen gegen Miete/Pacht/Zins und
  2. Wertschöpfung durch Erwerbstätigkeit (selbständig, unselbständig, gewerblich, Land- und Forstwirtschaft)

Wenn wir nach Karl Marx gehen, dann ist 1. eine „böse“, weil „arbeitslose“ Wertschöpfung, und 2. ist die „gute“, weil „durch ehrliche Arbeit verdiente“ Wertschöpfung. Das wird zu hinterfragen sein.

Beginnen wir mit einem allgemeinen Exkurs, in dem der Begriff der Wertschöpfung noch keine zentrale Rolle spielt:

Beispiel 1-1: Alles ist Dienstleistung

Wie meine ich das?

Nun, wenn für ein Gut bezahlt wird (also genau genommen für ein „knappes“ Gut, „freie“ Güter wären ja gratis), dann wird das Geld immer einem Menschen oder einer Gruppe von Menschen in die Hand gegeben. Es ist meiner Meinung noch nie vorgekommen, dass wir der Natur (oder irgendeinem Naturgott) Geld geopfert hätten, als Dank für eine Ressource, die wir der Natur entnommen haben.

Wenn wir für ein Gut einen Geldpreis
bezahlen, dann kommt
das Geld immer
Menschen zu gute.

Entsprechend der üblichen Wirtschaftstheorie gibt es folgende Arten von Realgütern (im Gegensatz zu Nominalgütern, also Geld und geldwerten Zahlungsmitteln):

  • Sachgüter
  • Dienstleistungen
  • Rechte

Ich behaupte nun, dass hinter allen Realgütern in Wirklichkeit menschliche Dienstleistungen stecken, also auch hinter Sachgütern und Rechten, die ja bereits an sich einen Nutzen und einen Wert haben, auch wenn wir den „menschlichen Aufwand dahinter“ nicht kennen:

Auch Realgüter außer
Dienstleistungen
(also auch Sachgüter und Rechte)
sind letzten Endes immer gleichbedeutend

mit einer Akkumulation von Dienstleistungen.
(Satz B1-3)

Um diesen Sachverhalt zu ventilieren, denken wir uns die Endmontage eines Autos. Sehr simpel betrachtet nehmen wir

  • ein Chassis,
  • einen Motor und
  • eine Karosserie

und stecken diese zusammen zu einem fertigen Auto (zumindest bei einem Auto von IKEA *) wäre das so einfach 🙂 ).

Abb. B1-1: Endmontage eines IKEA *) Autos

Was in Abbildung B1-1 sofort auffällt, ist die geringe Wertschöpfung bei der Endmontage des Autos.

  • Weil eine qualitativ hochwertige Montageanleitung als freies Gut (im World Wide Web) verfügbar ist und weil die Werkzeuge mit den Einzelteilen mitgeliefert werden, kann jeder mittelbegabte Otto Normalverbraucher solch ein Auto montieren.
  • Deshalb ist die Wertschöpfung bei der Endmontage auch so gering und deswegen wird sich kein Unternehmen finden, das die Montage durchführt.
  • Jeder Käufer muss das Auto in der eigenen Garage selbst zusammenbasteln. Der Brutto-Umsatz (BU) ist nur ein fiktiver Umsatz für den Fall, dass der Käufer des Bausatzes das Auto gleich nach der Montage doch noch weiterverkauft.

Jedenfalls ist klar, dass es sich zumindest bei der Endmontage um eine reine Dienstleistung handelt.

Die Vorleistungen sind nun alle Leistungen, die als Voraussetzung für die Endmontage erbracht worden sind:

  • Die Einzelteile (also Chassis, Motor und Karosserie) müssen hergestellt und geliefert werden:
    • Dahinter stecken unzählige Dienstleistungen, z.B. von der Montage des Motors bis hin zur Schürfung der Erze, die für die Rohstoffe des Motors das Ausgangsprodukt waren, nicht zu vergessen den Transport der jeweils halbfertigen Produkte zum nächsten Glied der Wertschöpfungskette.
      Zu diesen Dienstleistungen zählen anteilig auch die Mannstunden, die für benötigte Investitionsgüter aufgewendet worden sind (z.B. für eine Fabrikshalle, die sich im Eigentum einer der beteiligten Wirtschaftseinheiten befindet)
    • Dazu kommen anteilig auch Dienstleistungen, die in den beteiligten Wirtschaftseinheiten als unterstützende Leistungen erbracht werden (diverse Formen von Management, Führung und Kontrolle, verschiedene Formen von Infrastruktur wie zum Beispiel Wartung der Produktionsmittel und dergleichen)
    • Überlassungen von Produktionsmitteln, Finanzdienstleistungen und dergleichen, z.B.
      • die Vermietung (Überlassung) einer Immobilie für einen Produktionsstandort (das ist zweifelsfrei eine Dienstleistung)
      • die Eigentümer der beteiligten Wirtschaftseinheiten haben Kapital investiert, auch das ist zweifellos eine Dienstleistung (nämlich eine Finanzdienstleistung)
    • Für all das müssen nun auch Steuern und Sozialabgaben entrichtet werden
      • Dass der Staat und die Sozialversicherungsträger Dienstleister sind, ist allgemein bekannt, und dass diese Dienstleistungen guten Gewissens als Vorleistungen gezählt werden können, die unsere Art des Wirtschaftens erst ermöglichen, ist auch leicht einsehbar.
      • Selbst wenn der Staat Teile der Steuern verwendet, um Sozialhilfe auszuschütten oder (andere) marode Firmen als Staatsunternehmen wieder aufzupäppeln, bevor er sie verkaufen kann, ist das eine Dienstleistung an den beteiligten Wirtschaftseinheiten: nämlich die Sicherstellung des sozialen Friedens.
    • Wir nehmen an, dass IKEA *) ein Patent auf eine besondere Art von Motor hat. Deswegen kann IKEA *) für diese Art von Motor eine künstliche Verknappung inszenieren, wodurch die Wertschöpfung für den Motorproduzenten steigt. Der Motorproduzent zahlt eine angemessene Lizenzgebühr, sodaß sich das Patent für IKEA rechnet. Die künstliche Verknappung durch das Patentrecht ist letzten Endes eine Dienstleistung des Rechtsstaats.
    • Bleibt noch die Frage, wie wir die Erstellung der eingangs erwähnten „qualitativ hochwertigen“ Montageanleitung verbuchen. Diese ist als „freies Gut“ in unbegrenzter Stückzahl für jeden Menschen mit Internetanschluß gratis kopierbar, kann also, weil gratis, nicht direkt als Vorleistung verrechnet werden.
      Irgendwann einmal mußte der „Erstling“ jedoch mühsam erarbeitet werden. Da IKEA *) sicher nicht auf diesen Kosten sitzenbleiben will, müssen diese durch eine „Umwegrentabilität“ gedeckt werden (wie bei allen „freien Gütern“, die marktwirtschaftlich produziert werden). Man könnte diese Montageanleitung zum Beispiel als Marketinginstrument verbuchen, das erst die Nachfrage nach derartigen Autos so richtig steigen läßt. Gepaart mit der oben genannten künstlichen Verknappung des Motors (dieser ist ein unverzichtbarer Bestandteil des Autos), kann sich das rechnen. Auch die Erstellung des „Erstlings“ der Montageanleitung ist natürlich eine Dienstleistung.

*) Der Markenname IKEA wird in diesem Artikel zu satirischen Zwecken verwendet, um durch die satirische Überhöhung klar zu machen, dass man Möbel nicht mit Autos vergleichen kann

Wir sehen also:

Alles, wofür wir Geld ausgeben,
läuft letzten Endes
auf menschliche Dienstleistungen **)
hinaus.

**) Andersherum ist nicht gesagt, dass für jede menschliche Dienstleistung Geld verlangt werden muss, wenn es sich zum Beispiel nicht um eine Dienstleistung im Sinne der üblichen Wirtschaftstheorie handelt

Nun gehen wir medias in res, und werden uns dem Thema der Wertschöpfung nähern:

Beispiel 1-2: Von der Wertschöpfung

Anmerkung: Mehr zur Wertschöpfung bei Wikipedia – Wertschöpfung (Wirtschaft)

In Beispiel 1-1 ist uns bereits eine Wertschöpfung begegnet, die so jämmerlich klein war, dass sich kein Unternehmen ihrer angenommen hätte (weil die Vorleistungen fast den gesamten Produktionswert, also Umsatz, „aufgefressen“ hatten).

Und tatsächlich wird die Wertschöpfung als das Ziel der Produktion in jeder Geldwirtschaft bezeichnet. Immerhin entspricht sie dem Bruttogewinn, mit dem man sinnvolle Sachen machen kann (zum Beispiel das Eigenkapital aufstocken, um krisenfester zu werden, oder auch in Produktionsmittel oder Innovationen investieren), nachdem man den – leider notwendigen – Reingewinn an die Eigentümer ausbezahlt hat.

Definition der Wertschöpfung:

Wertschöpfung = Produktionswert – Vorleistungen

Ob das wirklich immer gilt – dass die Wertschöpfung unser oberstes Ziel sei – möchte ich anhand einiger Beispiele ventilieren. Dazu bediene ich mich wieder – siehe Abbildung B1-2 – unseres Modells von einem beliebigen Haushalt.

Der Haushalt H ist – zu einem bestimmten Zeitpunkt – eine Gemeinschaft von N bestimmten Personen, die ihr produktives Vermögen und ihr gebunkertes Vermögen (inklusive ihrer persönlichen Fähigkeiten) bewirtschaften, um ihre Bedürfnisse möglichst effizient zu befriedigen.

Abb. B1-2: Wirtschaftsuniversum aus Sicht des Haushalts H

Dazu produzieren sie unter Verwendung ihres produktiven Vermögens (inkl. ihrer persönlichen Fähigkeiten) bestimmte Güter, um diese

  • zu konsumieren (Nutzen sofort) bzw. zu investieren (Nutzen später),
  • für schlechte Zeiten einzulagern oder
  • den Überschuß zu exportieren.

Wenn die Produktion hinter dem Bedarf herhinkt, können sie in Ausnahme- (Krisen-)fällen

  • die Produktion aus dem gebunkerten Vermögen (Lager) auffetten.

Für den Export von Realgütern (also Sachgütern, Dienstleistungen und Rechten) erzielt man – zumindest in der Geldwirtschaft – einen Gegenwert an Nominalgütern (Geld und geldwerten Zahlungsmitteln) in Höhe des Umsatzes (Revenue R).

Vom Umsatz R kann man nun

  • Haushaltsmitgliedern einen gerechten Anteil am Exporterfolg zukommen lassen
  • das Geldvermögen vergrößern
  • Importe finanzieren – Kosten (Costs C)
    • um den Konsum aufzufetten
    • um das Lager für Krisenzeiten aufzufüllen
    • um in das produktive Vermögen zu investieren (Produktionsmittel, Innovation, Schulungen, …)

Die Wertschöpfung („added value“ AV) ergibt sich mit diesem Modell also zu

AV = R – C
Wertschöpfung = Umsatz – Kosten(Vorleistungen)
(Satz B1-4)

Wie sieht das nun aus, wenn wir einige konkrete Haushalte durchexerzieren?

Beispiel 1-2-1: der beliebte Jäger und Sammler

Wir wollen den Haushalt H hier als eine Sippe von Jägern und Sammlern interpretieren, der wir unterstellen, dass sie keine externen Kontakte zu anderen Sippen und also auch keine externe Währung habe (eigentlich eine gewagte Unterstellung).

Da wir es also nicht mit einer Geldwirtschaft zu tun haben, ist die Frage nach der Wertschöpfung eigentlich müßig, aber wir könnten zumindest versuchen, eine äquivalente Wertschöpfung nach der Formel

Wertschöpfung = Output – Input

zu beschreiben.

Da die Sippe keinen externen Markt als „menschlichen Widerpart“ hat, aus dessen Sicht diese Differenz bewertet werden könnte, versuchen wir die Sippe eben aus der „Sicht der Natur“ zu bewerten. Welchen Mehrwert könnte eine Sippe von Menschen für den Urwald haben? Was ist der Input? Was ist der Output?

Der Input ist natürlich der Verbrauch natürlicher Ressourcen, der dem Menschen zu eigen ist.

Aber was ist der Output des Menschen? Einfach nur Scheiße? Wos woar mei Leistung?

Was kann der Mensch besonders gut?

  1. Der Mensch hat Hände, er kann „Handlungen setzen“ und damit seine Umwelt „begreifen“
  2. Der Mensch hat ein großes Gehirn, um seine Umwelt zu „verstehen“

Mit diesen beiden Voraussetzungen und mit seiner Vernunft, mit der Fähigkeit zum Zuhören könnte er ein „weiser Landschaftsarchitekt“ sein, durch den auf der Erde vieles schöner, eleganter, vollkommener, man könnte sogar sagen besser würde. Das würde den Ressourcenverbrauch der Menschheit rechtfertigen.

Könnte, würde.

Beispiel 1-2-2: der beliebte Bauernhof

Jetzt wollen wir den Haushalt H als Bauernhof interpretieren, der nach wie vor „ziemlich autark“ agiert, aber aufgrund der effizienteren Produktionsmethoden des sesshaften Menschen einen Überschuß seiner Produkte zum Markt bringen kann.

Vom Umsatz R werden dann Luxusprodukte gekauft, also Produkte, die er selber nicht produzieren kann.

Man könnte eine Wertschöpfung berechnen, aber sie ist Null, weil R = C. Der gesamte Erlös der Überschüsse wird für Luxusprodukte ausgegeben, da der Bauernhof durch eine auf langer Erfahrung basierende Lagerhaltung auch in Krisenzeiten mit Geld eigentlich sonst nichts anfangen kann.

Natürlich könnte der Bauer eine Expansionsstrategie fahren, möglichst viel Geld sparen, und dann weitere Grundstücke dazu kaufen, aber unser Bauer ist eigentlich mit der Gesamtsituation zufrieden.

Beispiel 1-2-3: der beliebte alleinerziehende Software Entwickler

Dieser Angestellte und seine Rumpffamilie leben von seinem Nettogehalt und der Familienbeihilfe, das ist ihr Umsatz R.

Sie hätten gerne eine hohe Wertschöpfung, um sich mehr Manövrierspielraum zu verschaffen, aber sie haben nun mal kein Vermögen und müssen alle Produktionsmittel mieten, leasen oder ähnliches, was ihnen teuer zu stehen kommt.

Auch hier gilt R = C, Wertschöpfung gleich Null, obwohl er durch seine Arbeit bleibende Werte schafft.

Schön langsam zweifeln wir an der Aussagekraft der Maßzahl Wertschöpfung.

Beispiel 1-2-4: endlich der Produktionsbetrieb

Der Produktionsbetrieb hat, wie unser Software Entwickler, eigentlich keine nennenswerten Vermögenswerte vorzuweisen (außer ein paar Patenten und Markenrechten und einem bemerkenswerten Cash Flow). Aber die meisten Produktionsmittel, Gebäude, IT usw. muss er mieten bzw. leasen.

Dadurch behält er sich zwar seine Flexibilität – die er nicht hätte, wenn das alles sein Eigentum wäre – aber es kostet eben zusätzlich eine Lawine.

Er ist jedoch in der glücklichen Lage, dass er diese Kosten an seine Kunden weitergeben kann, weil er dank seiner gut ausgebildeten und motivierten Mitarbeiter seinen Kunden eben einen richtigen Mehrwert (einen „added value“, eine „Wertschöpfung“) bieten kann.

Dadurch kommt der Kunde auch nicht in Versuchung diesen Zwischenschritt selber zu machen und direkt zu den Vorleistern zu gehen (so wie es der Endkunde des IKEA *) Autos getan hat, bzw. tun mußte).

Wir sehen, dass der Begriff des Mehrwertes – des „added value“ – insbesondere in der Wertschöpfungskette der Produktionsbetriebe eine wichtige Rolle spielt.

Beispiel 1-2-5: Na ja, der Staatshaushalt

Auch Staaten stehen, ähnlich den Produktionsbetrieben, in einem Wettbewerb zueinander. Große Wertschöpfung heißt, dass man teuer (bzw. wertvoll) exportiert, aber billig (bzw. preisgünstig) importiert. Reine Agrarländer – wenn es sie gäbe – hätten de facto eine Wertschöpfung von 100% (die Vorleistung heißt Wetter, ist gratis, und kommt vom lieben Gott), allerdings sollte man nicht die Abhängigkeit von Saatgut- und Düngerproduzenten unterschätzen, die sehr unangenehm werden könnte.

Je „höherwertig“ die Güter sind, die in einem Staat produziert werden, desto schwieriger wird es, die Kosten für all die Vorleistungen niedrig zu halten und noch eine verträgliche Wertschöpfung „hinzukriegen“. Gut wäre halt in jedem Land ein Mix aus niedrig- und hochwertigen Gütern, sodass man unabhängig bleibt, verteilt auf unterschiedlich fortschrittliche Regionen innerhalb des Staates, sodass die Produzenten mit ihren Lebenshaltungskosten und ihrem Lebensstandard klarkommen.

Ein alter Witz: unsere Regierung hat den Lebensstandard so hoch getrieben, dass ihn niemand mehr erreichen kann.

Beispiel 1-2-6: Ach ja, die Weltwirtschaft

Die Weltwirtschaft hat weder Exporte noch Importe – wie gesagt, solange wir keinen Kontakt mit den kleinen grünen Männchen haben -, sodaß es eine globale Wertschöpfung de facto nicht geben kann. Hier gilt wieder der Versuch einer äquivalenten Wertschöpfung, den wir im Beispiel 1-2-1 im Zusammenhang mit den Jägern und Sammlern bereits gemacht haben.

Nun haben wir – glaube ich – einigermaßen ventiliert, was Wertschöpfung an sich ist. Nun wollen wir noch versuchen, den Unterschied zwischen „guter“ und „böser“ Wertschöpfung (nach Karl Marx) zu behirnen.

Beispiel 1-3: Der „gute“ und der „böse“ Hauseigentümer

Laut Steuerrecht wird ja zwischen 7 Einkunftsarten unterschieden ( https://www.bmf.gv.at/themen/steuern/fuer-unternehmen/einkommensteuer/einkommensbegriff.html ):

  1. Einkünfte aus selbständiger Arbeit
  2. Einkünfte aus Land/Forstwirtschaft
  3. Einkünfte aus Gewerbebetrieben
  4. Einkünfte aus unselbständiger Arbeit
  5. Einkünfte aus Kapitalvermögen
  6. Einkünfte aus Vermietung/Verpachtung
  7. Sonstige Einkünfte

Wenn man ein sehr vereinfachtes Weltbild anstrebt, könnte man also die Menschen in 2 Klassen teilen:

  • Die vermögende Klasse, die hauptsächlich von Einkünften nach 5., 6. und 7. lebt
  • Die erwerbstätige Klasse, die hauptsächlich von Einkünften 1. – 4. lebt

Ich habe Karl Marx nie gelesen, aber man erzählt, er habe die Einkünfte durch Überlassung von Vermögen als „arbeitslose Einkünfte“ gebrandmarkt, die eben deswegen moralisch minderwertig seien, während er die Erwerbsarbeit wegen ihrer „ehrlichen Anstrengung“ als moralisch höherwertig lobte.

Aber wie ist es nun wirklich?

Können wir für diese Untersuchung wieder unser „Modell vom Haushalt H“ verwenden? Ich denke, ja.

Beginnen wir mit der von mir vorgeschlagenen Klassifizierung von Vermögen in „produktives Vermögen“ und „gebunkertes Vermögen“.

Gebunkertes Vermögen:

Der Begriff läßt vermuten, dass man dieses Vermögen in einen Bunker legt, weil man es nicht braucht.

Das stimmt nicht, bzw. nur teilweise.

Gebunkertes Vermögen hat die Eigenschaft, dass man es zur Zeit(!) nicht benötigt, dass man aber mit dem Eintritt von Risiken (Krisen, Produktionsausfällen und dergleichen) rechnet, deren Folgewirkungen mit Hilfe dieser Vermögenswerte gelindert oder gänzlich gut gemacht werden können.

Da die Risiken ja jederzeit eintreten können, kann man dieses „gebunkerte“ Vermögen auch niemandem überlassen (zum Beispiel herborgen oder es anlegen).

Produktives Vermögen:

Produktives Vermögen besteht einerseits aus Produktionsmitteln, die man in der Produktion direkt benötigt – auch diese Vermögensanteile wird man niemandem ohne Not überlassen -, und andererseits aus Werten, die man eigentlich nicht benötigt und deswegen anderen Menschen zeitweise oder dauerhaft überlassen kann.

Einerseits erwartet man sich für diese Überlassung natürlich Pacht, Miete oder Zinsen, die zumindest die Abschreibungen bzw. die Inflation decken, andererseits kann man sich nicht (viel) mehr erwarten, denn Geld ist „institutionalisiertes Dankeschön“, und welches Dankeschön bitte kann man erwarten, wenn man etwas herborgt, was man eh nicht braucht?

Dieser Gedankengang scheint Karl Marx zu unterstützen, aber wir werden noch ein Beispiel ventilieren, das uns näher an die Wahrheit heranführt.

Zuerst ein alter Witz: Ein Kreditinstitut ist wie ein Regenschirmgeschäft, das Regenschirme bei Sonnenschein verleiht, und bei Regen sofort wieder zurückfordert.

Wir stellen uns nun einen – den ersten – Hauseigentümer vor, der die Wohnungen seines Hauses nicht selber braucht (er hat ja eine Villa in Hietzing) und somit an Wohnungssuchende vermieten kann.

Er hat das Haus eben erst von einem entfernten Verwandten geerbt, kennt sich mit diesen Dingen eigentlich gar nicht aus und hat auch kein Interesse daran.

Um Kosten zu sparen, lädt er sich einen Mustervertrag aus dem Internet und fragt einfach im Nachbarhaus, was die Mieter dort an Miete zahlen. Diese Werte setzt er in den Mustervertrag ein und ist eigentlich recht glücklich mit der kosteneffizienten Lösung (er hat keine Beratung gebraucht und auch keinen Verwalter beauftragen müssen). Irgendwelche Mieter haben sich dann eh gefunden.

Beim ersten auftretenden Problem (einem Problem mit einer Eingangstür) stellt er sich taub und wartet, bis der Mieter klagt. Vor Gericht willigt er dann sofort in einen Vergleich ein. Auch wenn das etwas kostet, die Mühen, die er sich erspart hat, machen das alles wieder wett.

Letzten Endes wird er mit dieser Methode nicht so viel „herausquetschen“ wie andere Hauseigentümer, aber er hat ein sorgenfreies Leben, zumindest, was das Haus betrifft.

Ob die Mieter damit glücklich sind, sei dahingestellt.

Der zweite Hauseigentümer ist das aus Leidenschaft. Schon sein Vater und sein Großvater haben Wohnungen in ihren Zinshäusern vermietet.

Natürlich achtet er darauf, dass sich die Mietverhältnisse auch rechnen, aber er kennt die einschlägigen Gesetze aus dem ff. – auch die neuesten Änderungen und Entwicklungen – und hat das alles „ziemlich im Griff“.

Er braucht keinen Hausverwalter, um zu erkennen, wann eine Beschwerde gerechtfertigt ist, und wann es sich um eine Lappalie handelt, der man nicht nachgeben muss. Er kalkuliert „hart, aber gerecht“. Wenn ein Subunternehmer Mist gebaut hat, braucht er keinen Sachverständigen, sondern überzeugt den Handwerker mit fachspezifischen Argumenten, dass hier eine Korrektur angebracht wäre.

Er investiert viel seiner kostbaren Zeit in diese Angelegenheiten, muss aber nur sehr selten „seinen Rechtsanwalt mit juristischen Fragen belästigen“, weil er praktisch alles selber weiß – jahrelange Erfahrung.

Die Mieter haben durchwegs „ein gutes Gefühl“ und zahlen gerne eine leicht erhöhte Miete, weil sie die zusätzliche Dienstleistung, den „added value“, den „Mehrwert“ durch die Person des Vermieters schätzen.

Ist nun der erste Hausbesitzer „böse“ und der zweite „gut“?

So einfach kann man das nicht sagen. Es gibt Mieter, die schätzen die hohe „Lieferqualität“ des zweiten Hausbesitzers und den „Mehrwert“, andere Mieter hätten lieber einen Vermieter, der sich um nichts kümmert, weil sie eh alles selber im Griff haben und lieber im Gegenzug die Miete drücken.

Aber generell möchte ich schon sagen:

Wenn jemandem
gewisse Teile seines Vermögens
keinen Spaß mehr machen,
dann wäre es besser
sich davon zu trennen und
vom Erlös etwas Spaßiges
zu kaufen.

Meint

Euer Christoph