Wo Tauben sind, fliegen Tauben zu

Mit diesem Spruch (wo Tauben sind, fliegen Tauben zu), den man sich richtig plastisch vorstellen kann, wenn man sich eine kleine niederösterreichische Gemeinde in den 50er und 60er Jahren vorstellt – mit einem reichen Großbauern und einem Rest an armen Schluckern – , hat unsere Mutter versucht uns etwas klar zu machen, was eigentlich sehr traurig ist:

Reiche Menschen haben von Geburt an bessere Chancen auf eine gute Ausbildung, als Menschen, die in finanziell ärmlichen Verhältnissen aufgewachsen sind.

Auch wenn es eigentlich eine Binsenweisheit ist, wird es dennoch oft abgelehnt, diese Erkenntnis klar und deutlich auszusprechen:

Vermögen ist ein Wettbewerbsvorteil

und

Ungleichheit rentiert sich

Wie meine ich das?

Nun gut, stellen wir uns vor die gesamte Welt lebte auf Bauernhöfen und jeder dieser Höfe wäre für sich autark.

Handel wäre nicht nötig.

Das Bruttoinlandsprodukt BIP wäre gleich Null.

Trotzdem wären die Grundbedürfnisse aller Menschen befriedigt (zumindest aus wirtschaftlicher Sicht).

Erst dadurch, dass ein Hof Güter produziert, die er nicht benötigt und dadurch, dass andere Höfe diese Dinge benötigen, kommt es zuerst zu Tauschhandel und schließlich zu einem BIP.

Also: Ungleiche Chancenverteilung macht die einen potentiell reich und die anderen potentiell arm.

Das ist eine positive Verstärkung und führt also zu einem potentiell instabilen System, das z.B. durch Almosen oder Sozialgesetzgebung stabilisiert werden kann. Andernfalls wird es höchstwahrscheinlich zu Revolte, Aufruhr, Mord und Totschlag kommen.

Können wir das auch durch eine Graphik, durch Visualisierung, klar machen?

Ja, ich denke schon:

Abbildung 1: Verteilung des Bruttonationaleinkommens (BNE – früher Bruttosozialprodukt)

Stellen wir uns eine „Republik X“ vor, also ein Land mit einem Bruttonationaleinkommen BNE. Das ist der gesamte Brutto-Umsatz, der mit Gütern erzielt wird, die von Inländern im Inland und im Ausland produziert bzw. erbracht werden.

Inländer sind dabei alle Menschen, die ihren Hauptwohnsitz in „Republik X“ haben.

Da laut Steuerrecht zwischen 7 Arten von Einkünften unterschieden wird ( https://www.bmf.gv.at/themen/steuern/fuer-unternehmen/einkommensteuer/einkommensbegriff.html ), haben wir:

Die 7 Einkunftsarten

  1. Einkünfte aus selbständiger Arbeit
  2. Einkünfte aus Land/Forstwirtschaft
  3. Einkünfte aus Gewerbebetrieben
  4. Einkünfte aus unselbständiger Arbeit
  5. Einkünfte aus Kapitalvermögen
  6. Einkünfte aus Vermietung/Verpachtung
  7. Sonstige Einkünfte

Damit können wir einen willkürlichen Schnitt machen:

Wir zerlegen die Bevölkerung in eine „erwerbstätige Klasse“, die ihr Einkommen hauptsächlich mit den Einkunftsarten 1. – 4. (inkl. Pensionen) erzielt, und eine „vermögende Klasse“, die ihre Einkünfte hauptsächlich aus den Arten 5. bis 7. bekommt.

Nun nehmen wir an, die Einkünfte der vermögenden Klasse seien in etwa gleich groß mit den Einkünften der erwerbstätigen Klasse, allerdings hat die vermögende Klasse sehr viel weniger Mitglieder.

Dann zerlegen wir die notwendigen(!) Kosten – die wir für jeden Menschen gleich annehmen – in zwei Teile,

  • die Lebenshaltungskosten (LH) und
  • die Investitionen (INV) in die Produktionsmittel (z.B. Bildung und Ausbildung).

Dann sehen wir, dass die notwendigen Kosten für die „vermögende Klasse“ im Verhältnis sehr viel geringer zu Buche schlagen, sodass ein großer Brocken Einkommen übrig bleibt (Luxus LUX).

Natürlich schützt Reichtum nicht vor Dummheit, aber wenn das überschüssige Einkommen nicht allzu sehr für überflüssigen Konsum verschwendet wird, dann bleibt einiges übrig, um in die Zukunft zu investieren, was der nächsten Generation das Leben ziemlich erleichtern kann (abgesehen von psychologischen Effekten).

Meint

Euer Christoph

3 Responses to Wo Tauben sind, fliegen Tauben zu

  1. Ernst Hirnschal sagt:

    Lieber Christoph,
    du endest mit „abgesehen von psychologischen Effekten“. Meiner Meinung nach, sind aber genau das die wichtigsten Faktoren. Das was du „zeichnest“, ist ein Modell. Jetzt wird´s schwierig: Ich unterscheide zwischen Realität (das was „da draußen“ existiert) und Wirklichkeit = Wirk-lichkeit (das was wirkt). Die Wirklichkeit ist das, was ich mir aus der Realität konstruiere (Wirklichkeitskonstruktion). wenn ich konsequent weiterdenke, dann ist jedes Modell, mit dem ich arbeite, ein mehr oder weniger treffendes Abbild (meiner) Wirklichkeit. Ich will und kann gar nicht beurteilen, wie weit das Modell „stimmig“ ist, aber was ich verstanden habe, impliziert das Modell eine bestimmte Abfolge von Konsequenzen. Diese wieder erscheinen mir sehr mechanistisch, weil sie eben nicht die Bandbreite des zutiefst psychologisch bedingent Handelns der Menschen abbilden. Nur als ein möglicher Handlungsansatz: Wie sieht das Ganze aus, wenn ich annehme, dass Menschen ein Gefühl dafür haben „Ich habe genug – mehr als das … brauche ich nicht“?
    Liebe Grüße
    Ernst

    • Yeti sagt:

      Lieber Ernst!
      Erst einmal möchte ich mich bedanken, dass Du Dich auf dieses „kleine, abgeschieden liegende, unbedeutende Blog“ verirrt hast. Das ist nicht selbstverständlich.

      Zweitens möchte ich feststellen, dass Deine Arbeitsannahme, dass auch vermögende Menschen genug haben können – der ich ja nirgends widersprochen habe – durchaus in mein Modell passt.

      Sie – die Arbeitsannahme – ändert ja nichts daran, dass Vermögen einen Wettbewerbsvorteil bedeutet.

      Mir gefällt auch Deine Trennung in Realität und Wirklichkeit, bloß dass ich dafür andere Wörter verwende (ich habe zwar auch Paul Watzlawick gelesen, folge aber letzten Endes nicht der Schule des Konstruktivismus).

      LG
      Christoph

  2. […] Weiters möchte ich auf die beiden Arten der Wertschöpfung eingehen, die mit den Einkunftsarten zu tun haben (siehe auch den Beitrag Wo Tauben sind, fliegen Tauben zu): […]

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