Liebe Leser!
Ich möchte Euch heute einladen auf eine kleine Hirnakrobatik zum Thema „was tun wir hier eigentlich“, bzw. „wie leben wir“.
Die Frage nach dem „Warum“ sei heute einmal ausnahmsweise ausgeklammert. Religiös bin ich sonst eh immer.
Zuerst einmal die Frage nach der Familie:
Hat es nicht mit der Sippe begonnen? Mit dem Rudel?
Erst dann, als wir uns sesshaft gemacht hatten, kam der Hof, die Wirtschaft, der Markt und das Geld?
Im ersten Bild sehen wir die Sippe, die im Wesentlichen alles, was sie verbraucht auch selbst erzeugt und die Ressourcen gratis der Natur entnimmt (das tun wir immer noch, nur ist es nicht mehr so offensichtlich).
Durch die Hofwirtschaft wurde das Leben effizienter und man begann, mehr zu produzieren, als man verbrauchte. So konnte man zum Markt gehen, und dafür andere Güter – Luxusgüter, die man nicht selber produzieren konnte – einkaufen. Dieser Markt spielte sich aber immer noch in einem relativ kleinen Rahmen ab.
Und wie ist das heute?
Im dritten Bild sehen wir einen „Haushalt H“.
Was ist das? In unserem Beispiel ist es meine Familie, in der ein Erwerbstätiger lebt (ET = 1) und 2 Erwerbslose (EL = 2). Neben meinem Nettoeinkommen hat die Familie kein Einkommen (die Familienbeihilfe kann man ruhig vernachlässigen, und was die Kinder schon verdienen, ist ihre Sache).
Es könnte mit einem „Haushalt H“ aber auch ein anderer Teil der Bevölkerung gemeint sein, zum Beispiel „ein Bundesland“, „die Diözese Wien“, „alle Priester Österreichs“ oder „alle KindergärtnerInnen Wiens“.
Nun ist es so, dass Konsum und Produktion heutzutage strikt getrennt sind, Konsum passiert meist im Rahmen des Privathaushalts, Produktion passiert im Rahmen von sogenannten „Firmen“ (Produktionsstätten).
Deswegen zeichne ich den Haushalt – die Kernfamilie – (auf die ich ALLES in diesem Beispiel beziehe – sie ist ja die Keimzelle der Wirtschaft) getrennt von der (den) Produktionsstätte(n).
Warum schreibe ich die Produktionsstätte im Plural?
Nun, einerseits gibt es viele Menschen, die mehr als einen Job haben, andererseits könnte es in dem „Haushalt H“ mehr als eine erwerbstätige Person ET geben.
Hier haben wir also eine Erwerbsquote EQ*) = ET / (ET + EL) = 1/3 = 33.333% (Gesamtösterreich hat 50% Erwerbsquote).
Den Kehrwert der Erwerbsquote nenne ich hier „Konsumzahl“ K = 1 / EQ = 3.
*) Später werde ich K und EQ anders definieren, sodass die Gleichung K * EQ = 1 nicht mehr gelten wird.
Mein Nettolohn (von dem diese 3 Personen leben müssen), beträgt 17 Einheiten, der Bruttoumsatz, den meine Produktionsstätte (das ist die R&D Abteilung irgendeiner Firma) mit mir erzielt, ist ein sogenannter „interner Stundensatz“ und beträgt z.B. 80 Einheiten.
Das heisst, meine Produktionsstätte muss zu meinem Nettoeinkommen NE = 17 noch den „gesamten Overhead“ GO = 63 „zuschießen“, um mit meiner Arbeitsleistung – das ist das Produkt, das meinem Computer entrinnt – einen Umsatz von 80 machen zu können.
Natürlich hat meine Familie auch – wie der Bauernhof – eine Eigenproduktion und einen Eigenverbrauch. Das sind die Leistungen, die intern ohne Geldleistung – für Gotteslohn – erbracht werden:
- Der Haushalt wird gratis erledigt
- Kochen
- Waschen
- Geschirr erledigen
- Wege, die zu erledigen sind
- kleinere Wartungsarbeiten am Auto
- ausgenommen die Putzfrau, die ist outgesourced
Zurück zur sogenannten „professionellen“ Arbeit und zur Produktionsstätte.
Was hat es mit diesem seltsamen „gesamten Overhead“ GO = 63 auf sich, den mein Chef zusätzlich „drauflegen“ muss, damit meine Arbeit „funktioniert“.
In meinem Fall sind das all die Kosten für die Errichtung, Instandhaltung und dann auch wieder den Abbau meines Arbeitsplatzes (Laptop, Docking Station, Bildschirme, Tisch, Sessel, Gebäudemiete, Wartung des Laptops, IT Infrastruktur, Klimaanlage, Strom usw.) jede Menge Literatur und Software als Input sowie Manager-Anteile (die mich führen) und der anteilige Gewinn für den Eigentümer.
Vernachlässigt sind hier noch Subventionen, zum Beispiel Forschungsförderungen, die mein Arbeitgeber für meine Arbeit bekommt.
Nun wirst Du sagen, das seien ja größtenteils Sachleistungen, aber aus volkswirtschaftlicher Sicht gilt:
- Bezahlt werden nur Menschen
- Ressourcen sind gratis*) (ich bezeichne Menschen nicht als Ressourcen)
*) wir werden später sehen, dass Ressourcen auf irgend eine Art und Weise trotzdem bewertet werden müssen, sonst werden wir die Nachhaltigkeit der Wirtschaft nicht schaffen – man bezeichnet das als „Internalisierung der externen Kosten“
GO ist also der anteilige Nettolohn aller Menschen, die an meinem Produkt gegen Bezahlung mitgemacht haben.
Wobei noch eines zu berücksichtigen ist: NE ist das Nettoeinkommen, in GO sind also auch alle Sozialabgaben und Steuern enthalten.
GO enthält also auch
- mich, wenn ich krank oder arbeitslos bin (anteilig)
- mich, wenn ich in Pension bin (anteilig)
- anteilig alle Sozialhilfeempfänger, die „von meinem Produkt finanziert werden“ (u.U. kann das anteilig auch ich sein, wenn ich privat Subventionen vom Staat bekomme – z.B. die Familienbeihilfe)
- anteilig alle Beamten, die „von meinem Produkt finanziert werden“
Wievielen Menschen entspricht das?
Ich nehme mal an, dass alle Menschen das Nettoeinkommen NE = 17 haben, das heisst
GO / NE = 63 / 17 ist ca. 3.7
Neben mir haben also 3.7 „äquivalente“ Erwerbstätige an meinem Produkt mitgearbeitet, mit mir also 3.7 + 1 = 4.7.
Wenn ich nun davon ausgehe, dass diese „äquivalenten Erwerbstätigen“ so wie ich auch jeweils 2 nicht-erwerbstätige finanzieren, dann komme ich auf 1 * 3 + 3.7 * 3 = 4.7 * 3 =
ca. 14.1 Christoph-Äquivalente, die von „meinem“ Produkt finanziert werden.
Natürlich ist es nicht „mein“ Produkt, sondern „unser“ Produkt. Und außerdem ist mein Produkt nicht für den Endabnehmer gedacht, sondern ist wieder nur eine Vorleistung für ein weiteres Produkt. Deshalb ist es für alle diese 14.1 Christoph-Äquivalente auch so schwierig eine Beziehung zu dem Produkt aufzubauen, von dem sie finanziert werden, wie schon Karl Marx treffsicher bemerkte (Entfremdung des Arbeiters von seiner Arbeit).
Schaut insgesamt aber ganz gut aus!
Oder?
Oder nicht?
Na ja. Wenn man mal davon ausgeht, dass der Gewinn 0 ist, dann entspricht GO den sogenannten „Vorleistungen“ (betriebswirtschaftlich betrachtet rechnet man hier die Steuern und Sozialabgaben nicht hinzu, aber ich denke, wenn man gesamtheitlich denkt, muss man diese auch als „eine Art Vorleistungen“ betrachten).
Es gilt nämlich: Wertschöpfung WS = (Umsatz – Subventionen – Vorleistungen) / Vorleistungen
Da Subventionen hier gleich 0 sind, gilt
WS = NE / GO = 1 / P = (BU – GO) / GO = (80 – 63) / 63 = 17 / 63 = 1 / 3.7
WS = 27%
Man kann es also auch so formulieren:
Meine Arbeit nimmt den Input von effektiv 3.7 äquivalenten Arbeitsplätzen (brutto 14.1 äquivalenten Personen) und fügt magere 27% Wertschöpfung hinzu.
Klingt nicht mehr so gut, oder?
Dieser Frage wollen wir demnächst auf den Grund gehen.
Meint
Euer Christoph
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Interessanter Text! Ich weiß nicht, ob 27% so wenig ist. Unter den 3,7 Äquivalenten sind ja auch die, die uns das Arbeiten ermöglichen (zb. Ärzte, Polizisten…)
LG KNI
außer wenn ich den Arzt privat bezahle.
tust du das?
Nicht unbedingt, aber Leute mit psychischen Problemen z.B. sind in Österreich unterversorgt und stoßen manchmal an ihre finanziellen Grenzen.
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