Kann man eine Abtreibung als Putativnotwehr auffassen?

Ich möchte gleich mal vorausschicken, daß ich kein Jurist bin.

Werde mich also sowieso beschränken auf allgemeinmenschliche und nach Möglichkeit vernünftige Argumente und Überlegungen.

Wann beginnt das Leben?
Ab wann ist ein Mensch ein Mensch?

Mit der Verschmelzung von Ei- und Samenzelle?
Wenn also das Genom fertig ist?
Oder sobald es erste Nervenzellen gibt und der Mensch also Schmerzen empfinden kann?
Mit der Einnistung in die Gebärmutter?

Ich glaube, diese Frage kann niemand wirklich beantworten. Und darum sollten wir – im Zweifelsfalle für den Schwächeren – im Sinne des Kindes argumentieren, daß ein Mensch also ein Mensch ist, sobald Ei- und Samenzelle verschmolzen sind.

Aber eigentlich müßten diese Frage die Mediziner beantworten. Tun sie aber nicht, bzw. tut jeder Mediziner anders.

Wenn man es also objektiv durchdenkt, dann ist jede Abtreibung ein Mord.

Oder?

Na ja, im Österreichischen Strafgesetzbuch wird Abtreibung immer noch als eine „Tat“ bezeichnet, also als ein Unrecht.

Allerdings bleibt dieses Unrecht unter bestimmten Voraussetzungen straffrei und es ist auch verboten, Personen, die an einer straffreien Abtreibung mitgewirkt haben, deswegen zu benachteiligen.

Allerdings ist es auch verboten, Personen zu benachteiligen, die sich aus Gewissensgründen geweigert haben, an einer Abtreibung mitzuwirken.

Wenn hingegen eine ernste Gefahr für Leben oder Gesundheit der Mutter besteht, dann ist Abtreibung auch nach dem dritten Monat durchaus erlaubt. Man könnte das, in meinem juristisch ungebildeten Wortschatz, also als eine Art Notwehr bezeichnen.

Damit eine Notwehr vorliegt, muß es aber eine tatsächliche(!) Bedrohung geben, es reicht nicht, dass sich die Mutter einfach nur bedroht fühlt.

Hier kommt der Begriff der „Putativ“notwehr zum Tragen. Das ist also keine tatsächliche(!) Notwehr, sondern der Täter ist bloß davon ausgegangen, daß es sich um Notwehr handelt (lat. „putare“ = „meinen“, „glauben“).

Kann man also eine Abtreibung unter Umständen als Putativnotwehr auffassen?

Eine tatsächliche Bedrohung liegt ja offensichtlich nicht vor, aber die Mutter fühlt sich durch die bloße Existenz des Kindes derart in ihrer eigenen Existenz bedroht, daß sie keinen anderen Ausweg mehr sieht.

Nur ein Denkansatz, nicht mehr

meint
Euer Christoph

8 Responses to Kann man eine Abtreibung als Putativnotwehr auffassen?

  1. PinkPanther sagt:

    in Zeiten, zu denen psychische Leiden als solche anerkannt und druchaus mit physischen Erkrankungen vergleichbar betrachtet werden, frage ich: wer bestimmt, wann eine Bedrohung „tatsächlich“ vorliegt? Wenn eine werdende Mutter sich und dem Kind dann das Leben nimmt, weil sie der Belastung nicht standhielt, war das dann „nur putativ“, weil sie nur subjektiv unter ihrer Situation litt? Interessant ist speziell bei diesem Thema auch die Mitverantwortung des sozialen Umfelds: kann/soll/muss man auch die Umwelt der Betroffenen zur Verantwortung ziehen oder gilt hier: was kann ich dafür, was Du entscheidest?
    Grundsätzlich gehe ich aber in geschätzten 99,9% der Fälle davon aus, dass es keine leichte Entscheidung ist, und „bei Gott“ nicht aus reiner Bequemlichkeit getroffen wird. Und von außen und im Nachhinein wissen’s die andern sowieso immer besser. Menschliche oder religös motivierte Verurteilungen halte ich dort fehl am Platz.

  2. Yeti sagt:

    100% Zustimmung.

    Psychisch betrachtet, kann es also eine tatsächliche Gefährdung sein.

    Und ich möchte nicht wissen, bei wievielen Abtreibungen der Vater „sanften“ Druck ausgeübt hat, und sei es nur durch seine (plötzliche) Abwesenheit.

  3. Halb11 sagt:

    Zitat“Wenn man es also objektiv durchdenkt, dann ist jede Abtreibung ein Mord.“
    Eine sehr fundamentalistische Haltung, und gar nicht objektiv.

    Die legale Abtreibung muss als eine gesellschaftliche Errungenschaft angesehen werden, die viel Leid bei Mutter und Kind verhindern kann.

    Die junge Mutter, die durch das Kind vllt. nie die Möglichkeit zur fundierten Ausbildung haben wird, und deswegen immer am Rande der Armut leben wird. Hätte sie das Kind erst später bekommen, wären die Rahmenbedingungen für Mutter&Kind wahrscheinlich besser.
    Auch wird die Mutter-Kind-Beziehung bei einem ungewollten Kind möglicherweise belastet sein, was der Entwicklung des Kindes auch nicht förderlich ist.

    Der Einzelfall wird nie einfach zu bewerten sein, aber global einfach zu sagen „jede Abtreibung ist Mord“, finde ich als stark simplifizierte Ansicht, die einem intelligenten Menschen nicht würdig ist.
    Ein intelligenter Mensch sieht sich ein Thema von verschiedenen Seiten an.
    Ein Extremist, Fundamentalist sieht die Welt nur von einer Seite an, weil er nicht anders kann (er steht ja schließlich mit dem Rücken zur Wand). Er hat seinen Standpunkt aufgrund seiner Ideologie besetzt und rückt davon nicht ab, dadurch sieht er die Dinge nur von einem Blickwinkel aus, und das ist ungemein praktisch und einfach für ihn.

    Sorry, vielleicht trifft das nicht auf dich zu, aber die beschriebene Sichtweise kann als fundamentalistisch angesehen werden.

    Die Frage, wann Leben beginnt, und wann dieses Leben
    als Mensch angesehen wird, sind 2 verschiedene Dinge.
    Du wirst möglicherweise kein Problem haben, wenn ein Tier getötet wird (Nahrung etc), aber beim Menschen ziehst du die Grenze soviel früher.
    Erst die Komplexität unseres Gehirns, die Fähigkeit zu Bewußtsein und Selbsterkenntnis, macht uns Menschen zu etwas Besonderem. Deswegen ist eine Zelle, die das Potential hat, ein Mensch zu werden, noch lange nicht als Mensch zu betrachten.
    Und nur die Tötung eines Menschen ist per definitionem Mord.

  4. Yeti sagt:

    Hallo Halb11

    Schön, daß Du Dich traust, auf einem fundamentalistischen Blog einen Kommentar abzugeben.

    Und tatsächlich gehen hier die Meinungen auseinander, denn, wie Du richtig schreibst, ist die Gretchenfrage ja die Frage, ab wann ein Mensch ein Mensch ist.

    Und da es hier eben keine absolut objektive Aussage gibt (zumindest ist mir keine bekannt), plädiere ich dafür, im Zweifelsfalle lieber für den Schwächeren zu argumentieren (also für das Kind).

    Wenn man dieser Argumentation folgt, dann muß man eine Abtreibung also tatsächlich als Mord bezeichnen.

    Dass die Straffreiheit dieses Mordes hingegen eine gesellschaftliche Errungenschaft ist, das habe ich nie in Zweifel gezogen.

    Ich finde die österreichische Gesetzeslage durchaus in Ordnung, behalte mir aber das Recht vor, eine Abtreibung als Mord zu bezeichnen, was über eine tatsächliche Schuldlage im Einzelfall ja noch nichts aussagt, da es ja immer noch den Notwehrparagraphen gibt.

    Meint
    Euer Christoph

  5. PinkPanther sagt:

    @Yeti: diese Argumentation verschiebt doch nur die Frage „ab wann ist ein Meinsch ein Mensch“ auf díe Frage „wer ist der oder die Schwächere“, was m.E. genausowenig objektivierbar ist, besonders in einer Situation, wo sich ein verantwortungsfähiger erwachsener Mensch ernsthaft mit der Frage beschäftigt, das eigene Kind nicht auszutragen, Da könnte wohl auch die werdende Mutter die Schwächere sein im Augenblick.

    Mit derselben Argumentation könnte ich jetzt übrigens Taufe von Babies als Verbrechen darstellen: im Zweifelsfall Freiheit und keine Zwangsmitgliedschaft in der Kirche für den Schwächeren, „nur“ weil die Eltern es für richtig halten. Das ist zwar kein Mord, aber auch ein schwerer Eingriff in die Persönlichkeitsentwicklung des Kindes.

    Irgendwie kommt es mir so vor, als ob es um eine verbale Rechtfertigung geht, was m.E. aber doch am Thema vorbei zieht. Definition von „Mord“ hin und „Notwehr“ her: es geht doch darum, kann ich eine Abtreibung unter bestimmten Umständen vor meinem Gewissen rechtfertigen? Das ist doch eine reine Gewissensfrage, denn die gesetzliche Lage ist ja geklärt. Vielleicht kommt noch ein Problem mit damit verbundenen Schuldgefühlen dazu, und wer und was in unserer Gesellschaft mit welchen Begründugen oder Vorwänden dazu beiträgt, solche Schuldgefühle zu schüren
    Doch das Gewissen hat nur jeder selbst und es steht niemandem anderen zu, über mein Gewissen zu urteilen (außer, wenn ich religlös bin, Gott selber, vor dem ich mich zu verantworten habe) – auch nicht bei Mord. Wie gesagt, die Gesetzeslage dazu steht ja außer Diskussion – auch bei Mord.

  6. PinkPanther sagt:

    Vielleicht habe ich es ungünstig ausgedrückt: was ich meinte mit „verbaler Rechtfertigung“ ist, dass es mir persönlich so vorkommt, als ob ein Schriftgelehrter (Pharisäer? :-)) eine formale Begründung braucht, um eine Meinung, die er eh schon hat, vor seinem Gewissen als zulässig zu stempeln. Und mit dem Begriff der Putativnotwehr wäre diesem Bedürfnis genüge getan, ohne den Standpunkt des Mordes aufgeben zu müssen 😉
    Das ist aber wirklich nur ein ganz subjektiver Eindruck aus der Ferne.

  7. Yeti sagt:

    @PinkPanther:
    Nein, es gibt keinen Anlaßfall.

    Daß man Abtreibung unter Umständen als Putativnotwehr auffassen könnte, ist ein Gedanke, der mir schon vor längerer Zeit gekommen war, und jetzt bin ich zufällig in meinen Notizen „darübergestolpert“ und habe mich entschieden darüber zu schreiben.

    Aber natürlich ist das Thema sehr komplex und dieser Gedanke ist ja eigentlich nur ein kleiner Gedankensplitter, vielleicht eine Argumentation, die einem Fundamentalisten helfen könnte, den Tatsachen eine ein bißchen freundlichere Interpretation zuzugestehen.

    Wie gesagt, an den Tatsachen (Gesetzeslage etc.) kann und will ich ohnehin nicht rütteln

    Lg
    Christoph

  8. Kardinal Novize Igor sagt:

    Es gibt ja juristisch und ethisch verschieden zu interpretierende Arten von Tötung.

    Zu sagen: jede Abtreibung ist Mord, halte ich daher für unrichtig, so lange nicht klar ist, wo die putative Notwehr „anfängt“…..
    …oder so: Ist ein Mord ein solcher, wenn der (oder die) Betreffenden nicht wissen, dass es sich um eine Tötung handelt?

    Deswegen bin ich aber kein Fan von Abtreibung. Es geht, denke ich um einen Prozess der Bewusstseinsbildung, was man da eigentlich tut.

    Selbst Hippokrates hat sich geweigert, Frauen abtreibende Mittel zu verabreichen……

    ….flankiert von einer wirklichen Unterstützung werdender Mütter, die meiner Ansicht nach nach wie vor skandalös ist…..

    Die Frage, ob wann ein Mensch ein mensch ist, ist natürlich ganz schwierig zu beantworten. Auf einen Widerspruch möchte ich aber hinweisen: Während man etwa klinisch Tote, also völlig hoffnungslose Fälle, am Leben erhält (sind das das noch Menschen?) und die Diskussion darüber mit großer Sensibilität geführt wird, wird a priori angenommen, ein neun Monate alter Fötus sei kein Mensch……warum?

    …..auch wieder nur Fragen…..

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