Liebe Leser!
Ein 15. Büchlein befindet sich schon in Ausarbeitung. Es ist noch nicht fertig, aber den Beginn könnt Ihr hier schon lesen:
Quid pro Quo oder Hingabe?
Heute, am 9. Februar 2025, beginne ich dieses Büchlein zu schreiben, und ich blicke zurück auf einen Blogbeitrag vom 21. März 2024, wo ich über das Prinzip „quid pro quo“ geschrieben hatte:
[…]Kann man Dankbarkeit mit den Kategorien der Gerechtigkeit definieren? Sollte die Gegenleistung nicht ein „individuelles Dankeschön“ sein, das sich der Beschenkte nachher überlegt, ohne dass man vorher darüber verhandeln muss?
Oder dass man es gar in einem Gesetzestext definiert?
Und tatsächlich sind mir in meinem Leben einige Denkungsarten begegnet, vor allem im religiösen Bereich, die als Ideal die „Hingabe“ sehen.
Ich gebe meine Leistung hin, habe nicht die geringste Sicherheit und hoffe auf ein Dankeschön. Eigentlich darf ich nicht einmal auf ein Dankeschön hoffen, diese Hoffnung muss ich dann neurotisch verstecken, weil man mir ein „quid pro quo“ oder gar ein „do ut des“ vorwerfen würde.
Um ehrlich zu sein, ich weiss nicht, welches der beiden neurotischer ist: das „quid pro quo“ oder die „Hingabe“.[…]
Worum ging es mir am 21. März 2024?
Nun, im Wirtschaftsleben geht es eigentlich immer darum, dass einer Leistung eine ebenbürtige Gegenleistung entsprechen sollte.
Das geht so weit, dass im Prinzip alle Guthaben dieser Welt genau gleich groß sind wie die Summe aller Schulden.
Wir sind diese Reziprozität, dieses „quid pro quo“, dieses „wie du mir, so ich dir“, dieses „do ut des“ dermaßen gewohnt durch unsere täglichen „Geschäfte mit der Liebe“, dass wir uns – wir als erwachsene Menschen – gar nicht mehr vorstellen können, dass es eine andere Sichtweise geben kann.
Für uns ist es eine ungewohnte, ja sogar schockierende oder zumindest befremdliche Geste, wenn sich ein Priester bei der Priesterweihe der Länge nach auf den Boden legt, sich sozusagen „vor Gott hinwirft“, um seine Hingabe an Christus zu symbolisieren.
Und es ist auch schon ein kleiner Hinweis, unter welchen Umständen ein „quid pro quo“ angebracht ist – dass man einander nämlich „auf Augenhöhe begegnet“ – und wann man „sich hingibt“.
„Hingabe“ ist nämlich eine Geisteshaltung, die immer in asymmetrischen Situationen angebracht ist, zum Beispiel in unserer Beziehung zu Gott.
Auch Kinder neigen dazu, ohne Gegenleistungen zu fordern sich ganz hinzugeben.
Wie meine ich das? Im Allgemeinen sind Kinder leichter zu begeistern als Erwachsene.
Zum Beispiel denke ich mir manchmal: die katholische Jungschar hat in Österreich eine unendlich große Verantwortung auf sich genommen, weil sie jedes Jahr tausende Kinder und Jugendliche begeistern, bei der sogenannten Sternsingeraktion um den 6. Jänner herum von Haus zu Haus zu ziehen, und mit ihren Gesängen und Sprüchen Spenden für die Entwicklungshilfe zu sammeln.
Ein einziger Skandal, ein einziges Mal, wenn es passiert, dass Spenden nicht ordnungsgemäß verwendet werden, und eine ganze Generation von Katholiken wäre desillusioniert.
Na gut, aber für unser Thema ist das nur ein Beispiel, dass das „quid pro quo“ nicht die einzige Möglichkeit ist, wie man an das Leben herangehen kann. Die BeGEISTerung ist letzten Endes ein Werk des Hl. Geistes und sollte eigentlich hinter allen unseren Aktivitäten im Leben stecken. Obwohl sie eigentlich dumm ist.
Grimms Märchen
Diesmal möchte ich auf zwei Märchen der Gebrüder Grimm hinweisen, die vielen von Euch seit ihrer Kindheit vertraut sein werden.
Das Prinzip „quid pro quo“ wird in vielen Erzählungen bemüht, im weitesten Sinne handelt es sich ja darum, dass jede gute Tat eine Belohnung in sich birgt und jede schlechte Tat bestraft wird.
Und wem würde da nicht das Märchen von Frau Holle in den Sinn kommen, in dem das fleißige Mädchen mit Gold und Anerkennung belohnt wird, die Pechmarie aber erhält den gerechten Lohn für ihre schlechten Taten – oder vielmehr sind es ja Unterlassungen.
Dem ist nicht viel hinzuzufügen, dieser Inhalt erschließt sich jedem.
Das zweite Märchen, das ich diesmal zitieren möchte, ist das Märchen vom Hans im Glück.
Der Hans im Glück beginnt eigentlich dort, wo die Erzählung von der Goldmarie endet.
Hans bekommt als den gerechten Lohn für viele Jahre Arbeit einen Klumpen Gold. Soweit so gut, alles „quid pro quo“.
Aber – wie das Märchen so will – er tauscht den Klumpen Gold in mehreren Schritten immer wieder gegen weniger wertvolle Sachen ein, bis er zum Schluss nur mehr einen Stein hat, der ihm dann auch noch in einen Brunnen fällt.
Trotzdem, oder gerade deswegen, findet er zum Schluss sein Glück, das eben nicht im Besitz von wertvollen Dingen liegt.
Man kann dieses Märchen, wenn man einigermaßen zynisch ist, so interpretieren, dass das wahre Glück nur von Leuten gefunden werden kann, die „ein bisschen dumm sind“.
Und passt das nicht zu unserer Bemerkung im ersten Kapitel, wonach Begeisterung und Hingabe eigentlich dumm sind?
Ich denke, das Märchen vom Hans im Glück ist eigentlich DIE Erzählung, die zu unserem Thema passt.
Die Geschichte des Menschen beginnt mit „Leistung und Gegenleistung“, mit dem „quid pro quo“. Dort, wo der Hans seinen Goldklumpen bekommt.
„Zuerst einmal muss die Jugend etwas leisten“, sagen auch viele ältere Menschen.
Der junge Mensch muss zuerst einmal schmerzlich lernen, dass ihm das Leben nichts schenkt. Die ersten Groschen, die man sich verdient, indem man für den Vater das Auto wäscht, sind wahrscheinlich die schwersten.
Trotzdem ist das“quid pro quo“ nicht das letzte Wort.
Wenn man an eine Beziehung mit dem Maßstab herangeht, dass jede Leistung mit einer Gegenleistung zu belohnen ist, dann wird man nicht lange in einer Beziehung sein.
Wenn man seinen Kindern vorrechnet, was man alles für sie getan hat, dann hat man das Prinzip Familie nicht ganz verstanden.
Wenn eine Gesellschaft die Armen, Kranken und Alten verstößt, dann hat sie den Begriff der Würde des Menschen nicht verstanden.
Und so kann man viele Beispiele aufführen, in denen das Prinzip „quid pro quo“ seine Gültigkeit verliert (z.B. auch, wenn jemand in Konkurs geht).
Letzten Endes kann ich nur den Hl. Paulus zitieren, auch im Hinblick auf das Kreuzesopfer Christi:
1 Kor 1,25 Denn das Törichte an Gott ist weiser als die Menschen und das Schwache an Gott ist stärker als die Menschen.
Die Karotte und der Hafer
Ok, wenn sich sogar die alten Märchen mit diesem, unserem, Thema beschäftigen, nämlich mit dem Spannungsfeld zwischen „quid pro quo“ und „Hingabe“, dann liegt die Vermutung nahe, dass es sich dabei um ein generelles Problem des Menschen handelt, und wir vermuten, dass man auch bei anderen Quellen fündig werden könnte.
Bevor ich nun in die Bibel kucke, möchte ich daran erinnern, dass auch das moderne Berufsleben genügend Betätigungsfelder bietet, um diese beiden Prinzipien, das „quid pro quo“ und die „Hingabe“, gegeneinander auszuspielen.
Legion sind die Buzzword-Spreader, die so Sachen von sich geben, wie: „man arbeitet nicht für das Geld“, „ich brauche nur Leute, die die Extrameile gehen“, „der hat schon innerlich gekündigt“ und ähnlichen Blödsinn.
Aber eigentlich ist es kein Blödsinn, man muss nur verstehen, dass diese Leute das Prinzip „Hingabe“ hoch halten, zumindest was die Hingabe der anderen Angestellten betrifft.
Die Gewerkschaft hingegen – und auch das hat seine Logik – erinnert uns immer wieder daran, dass wir „am Ende des Tages“ eigentlich nur deswegen arbeiten, weil wir unsere Familien ernähren möchten, und um einmal einen angenehmen Lebensabend zu verbringen.
Wenn uns diese Ziele verwehrt werden, dann werden wir sauer und wählen FPÖ (aber das nützt nichts).
Trotzdem, obwohl es so scheint, dass diese Rollen klar verteilt sind – die herrschende Klasse will unsere Hingabe und wir hätten gerne einen gerechten Lohn –, kann ich mir nicht helfen und muss an den „Hans im Glück“ denken.
Muss man nicht wirklich „ein bisschen dumm sein“, um zum Glück finden zu können?
Die goldene Regel und das Doppelgebot.
Na ja, bevor ich mich nun darüber auslasse, ob man „ein bisschen dumm sein muss“, um im Leben das Glück zu finden, suche ich lieber erst einmal in der Bibel nach Hinweisen für unser Thema.
Vom Prinzip „Quid pro quo“
Sehr prominent ist die sogenannte „goldene Regel“, die von Jesus formuliert worden ist wie folgt.
Mt 7,12 Alles, was ihr also von anderen erwartet, das tut auch ihnen! Darin besteht das Gesetz und die Propheten.
Dazu ist nicht viel zu sagen, das ist das Prinzip „quid pro quo“ in Reinkultur und es erinnert ein wenig an den Merksatz, den wir gerne unseren Kindern beibringen: „Was Du nicht willst, dass man Dir tu‘, das füg‘ auch keinem andern zu“.
Es ist dies eigentlich die ethische Grundlage jeden Handelns auf dieser Welt. Tiefenpsychologisch betrachtet, würde man es vielleicht ein bisschen anders formulieren: „wie Du Deine Mitmenschen behandelst, so wirst Du es auch von ihnen erwarten“ (klingt ein wenig negativer 🙂
Natürlich geht das Prinzip „quid pro quo“ aber weiter als die „goldene Regel“, denn die „goldene Regel“ besagt nur „im Prinzip“, dass man sich so verhalten soll, wie man es auch von den anderen erwartet.
Beim „quid pro quo“ geht es jedoch um konkrete Gegenleistungen für jede einzelne konkrete Lebensäußerung, und nicht nur um ein generelles „Geben und Nehmen“.
Da geht es um die konkreten „Geschäfte des Alltags“, die wir jeden Tag abschließen.
Übrigens erinnert die „goldene Regel“ ein wenig an Kants „kategorischen Imperativ“, nur am Rande erwähnt.
Vom Prinzip „Hingabe“
Es wäre nicht die Bibel, wenn es nicht neben dem Hinweis auf das Prinzip „quid pro quo“ auch einen widersprüchlichen Hinweis auf die andere Lebensweise gäbe.
Manche Leute behaupten sogar, das Christentum sei die „Religion der Liebe“, und so verwundert es uns nicht, dass Jesus das berühmte „Doppelgebot der Liebe“ formuliert, wie folgt.
Mt 22,34 Als die Pharisäer hörten, dass Jesus die Sadduzäer zum Schweigen gebracht hatte, kamen sie (bei ihm) zusammen.
Mt 22,35 Einer von ihnen, ein Gesetzeslehrer, wollte ihn auf die Probe stellen und fragte ihn:
Mt 22,36 Meister, welches Gebot im Gesetz ist das wichtigste?
Mt 22,37 Er antwortete ihm: Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele und mit all deinen Gedanken.
Mt 22,38 Das ist das wichtigste und erste Gebot.
Mt 22,39 Ebenso wichtig ist das zweite: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.
Mt 22,40 An diesen beiden Geboten hängt das ganze Gesetz samt den Propheten.
Äußere und innere Ordnung
Wenn wir das in der Bibel lesen, einerseits die „goldene Regel“ und andererseits das „Doppelgebot der Liebe“, dann erscheint das auf den ersten Blick wie ein Widerspruch.
Einerseits fordert Jesus Gerechtigkeit im Umgang miteinander – Leistung und Gegenleistung –, andererseits fordert er Liebe.
Liebe kann man sich eigentlich nur vorstellen, wenn man über die Fehler des anderen hinwegsieht und für den anderen sozusagen „alles tut“, ohne nach einer Gegenleistung zu fragen.
Liebe benötigt eine ganze Menge „Begeisterung für den Anderen“.
Bei der Gottesliebe erscheint mir das eigentlich selbstverständlich (bin mir aber nicht sicher, ob sich wirklich jeder Mensch für Gott begeistern kann), aber ob ich immer in der Lage bin, die Begeisterung für die Nächstenliebe aufzubringen, da bin ich mir nicht sicher.
Trotzdem, obwohl in manchen Fällen statt Liebe nur mehr die Gerechtigkeit übrig bleibt, fordert Christus es als einen Akt der Gerechtigkeit, den ersten Schritt zu tun.
Die „goldene Regel“ besagt: „was Du vom anderen erwartest, das tu‘ selber“. Das heißt, Du sollst den ersten Schritt tun, Du sollst in die Vorleistung gehen, Du sollst pro-aktiv an die Dinge herangehen.
Du sollst nicht warten, bis der andere den ersten Schritt macht.
Warum das eigentlich dumm ist, das erkläre ich im nächsten Kapitel.
Hier nur ein letzter Gedanke:
Die „Begeisterung“, die „Hingabe“, sind sozusagen die „innere Ordnung“, denn ich kann mir nicht vorstellen, dass man einen Beruf komplett ohne Begeisterung ausübt.
Aber diese Begeisterung wird man für sich behalten, wenn es um Lohnverhandlungen geht. Zu groß wäre die Versuchung für den Vorgesetzten sich zu sagen: „der arbeitet eh gerne. Der braucht keine Gehaltserhöhung“.
Und das wollen wir doch wirklich alle nicht, dass das passiere.
Deshalb ist das „äußere Gesetz“ die Gerechtigkeit.
Warum man dumm sein muss
Tbd.
Andere biblische Quellen
Tbd.
Martha und Maria
Der „andere Weg“ bei Paulus
Die „äußere“ und die „innere“ Ordnung
Tbd.
Meint
Euer Christoph
Veröffentlicht von Yeti