Als ich gestern wieder ein bißchen an meiner Erzählung „Das dritte Kind – Freundschaft“ weiterschrieb, versuchte ich den Vater der Hauptperson – Heinrich den Blumenhändler – ein bißchen näher zu charakterisieren.
Denn ich behaupte, daß er ein Militarist ist, wenngleich er äußerlich friedlich lebt.
Aber er macht eben diesen Unterschied zwischen „innen“ und „außen“, zwischen „denen“ und „uns“, zwischen „gut“ und „böse“.
Ist es aber wirklich so verwerflich, zwischen „gut“ und „böse“ zu unterscheiden?
Meiner Meinung nach schon, denn ich mußte auch an die Werbung denken, die den Slogan verwendet hat: „Wir sind die Guten!“
Und ist es nicht genau dieses „Wir(!) sind die Guten“, das so viel Böses in sich trägt? Hat nicht Paulus geschrieben (bei Röm 3,23) „Denn es gibt keinen Unterschied: Alle haben gesündigt und die Herrlichkeit Gottes verloren.“
Sollten wir nicht alle sagen: „Wir sind die Bösen!“ und „Wir hoffen auf die Rettung durch den einen Guten“?
Viel Böses könnte vermieden werden, wenn wir einmal prinzipiell akzeptieren würden, daß wir vorerst einmal böse sind, und daß wir eben der Verbesserung dringend bedürfen.
So weit ein paar Gedanken zum Thema „Gut“ und „Böse“. Bitte gerne um Kommentare.
Meint
Euer Christoph
ein simpler Kommentar (vielleicht liegt gerade darin die Tiefe, à la „Ich weiß, dass ich nichts weiß“) aus dem Vorspann der Fernsehserie Leverage: „Sometimes bad guys are the best good guys“
oder aber auch (fast noch besser, gemäß dem Yin-Yiang-Prinzip [oder wie man das schreibt]): ich bin beides gleichzeitig, trage prinzipell beides in mir. Die Bewertung ist kontextabhängig.
ad „Die Bewertung ist kontextabhängig“.
Stimmt, denn „gut vs. böse“ ist eine eindimensionale Skala. Manchmal sogar binär, also nur mit zwei Werten, manchmal aber eine kontinuierliche Skala (wenn wir in „Graustufen“ denken können).
Aber das Leben ist farbig, also zumindestens drei (3) dimensional, was man mit einer 1-dimensionalen Skala eben nicht hinreichend beschreiben kann.
Ich muss also zuerst einen „Richtungs“vektor vorgeben (sozusagen eine „Denkrichtung“), den kann ich dann mit dem Ereignis multiplizieren, erst dann bekomme ich einen Skalar, den ich als „gut“ oder „böse“ bewerten kann.
Lg
Christoph
Warum soll es verwerflch sein, zwischen gut und böse zu unterscheiden?
Wenn ich, als Mensch, ein (in einem gewissen Rahmen) frei entscheidendes Wesen bin, bedarf es der Existenz des Guten und Bösen – oder zumindest der Existenz des Guten.
Meiner Ansicht nach ist die Leugnung des Gut-Böse-Dimorphismus das eigentliche Problem: Wozu lebe ich überhaupt, wenn ich nicht an das Gute glaube? Kann Liebe auch ohne Gutes existieren?
Es stimmt natürlich, dass auch das „Gute“ als politischer, vereinfachender Begriff missbraucht worden ist.
Aber: Darf ich deswegen das Kind mit dem Bade auschütten und mich gleich ganz vom Glauben an das Gute trennen? Dann definiere ich mich ja per negationem über die Gut-Missbraucher!
Und das ist wieder ein Zeichen von Charakterschwäche, die gerade von den heutigen Neoliberalismus-Wahnsinnigen ausgenützt wird, um die Menschen steuerbarer zu machen. Denn dann gibt es nur mehr den Menschen als biologische Maschine, als triebgesteuerte Entität……..Ja, dann gibts nur noch die Triebbefriedigung, das mechanische zu-Ende-Leben dieses sinnlosen biologischen Prozesses.
Es ist übel, dass sich die Leute genieren, über Gut und böse zu sprechen, zu denken, zu diskutieren! Ein von einer Ideologie, die die „Gier“ als das Gute preist, gewolltes Übel!
Und was tun unsere kleinen, harmlosen Atheisten? Sie folgen eifrig und willenlos dem Ruf des Neoliberalismus, und fallen, ganz wie gewünscht, in eine moralische geistige Unmündigkeit. Wie die Kleinkinder, denen da höhere Denken abgenommen ward, dürfen sie nun von Supermarkt zu Supermarkt krebesen, von Mode zu Mode, von Ablenkung zu Ablenkung.
Dem halte ich ein Bewusstwerden des Guten entgegen.
saludades, Los Pongos
meinem Verständnis von Atheismus nach bedeutet das keineswegs eine Ablehnung von Werten. Auch der Atheist handelt nach Werten, nur dass diese eben durch eigene, auch biologische Überlegung ohne Berufung auf einen höheren Gott zustande kommen. Atheisten mit Neoliberalisten gleich oder allzu ähnlich zu setzen, finde ich nicht angebracht.
Zum wasweißichwievielten Male propagiere ich die Bedeutung der Kriterien, der Ziele, an denen sich gut und böse erst definieren lassen. Daher ist gut nicht gut und böse nicht böse. Das meinte ich mit Kontextbezogeneheit der Begriffe.
Fast bei jeder auch religiösen Ideologie führt ein gewisser Extremismus erst recht zur Unmündigkeit.
Verwerflich halte ich daher nicht die Unterscheidung prinzipiell, sondern die Anmaßung, wissen zu wollen, was für die anderen oder gar alle gut und böse ist. Für mein eigenes Handeln kann ich gar nicht anders als mich an Werten wie auch gut und böse zu orientieren. Ob ich diese Werte aus der Bibel nehme oder durch sonstige Überlegung, ist auch Teil meiner freien Entscheidung. Zum anderen Teil tief verwurzelt durch Erziehung und die eigene Lebensgeschichte.
Dann brauche ich mich zum Glück nicht angesprochen fühlen, da ich mir nirgendwo angemaßt habe, zu wissen, was gut und was böse ist.
Wie denn auch, da der Quell alles Guten in Gott liegt.
Und Gott hat wohl noch keiner von uns richtig verstanden….
saludades
@Los Pongos, Zitat: „Es ist übel, dass sich die Leute genieren, über Gut und böse zu sprechen, zu denken, zu diskutieren“
Ich denke, genau das tun wir hier ja.
Und ich glaube auch, es gibt verschiedene Skalen von „Gut und Böse“.
Manche dieser Skalen, zum Beispiel die Skala des Militaristen Heinrich, sind verwerflich (also in „einer meiner eigenen gut/böse Skalen“ eher auf der „Böse-Seite“).
Ich meine damit die Skala, die gut vs. böse durch eine simple Gruppenzugehörigkeit definiert („wir sind die Guten“, „die anderen“ sind „die Bösen“).
Es mag komplexere „gut/böse-Skalen“ geben, die mehr Daseinsberechtigung haben. Zum Beispiel „Gut ist alles, was Gottes Willen entspricht“ (Problem: wer traut sich zu, Gottes Willen zu definieren?)
oder: „Gut ist alles, was dem Lehramt nicht wiederspricht“
oder: „Gut ist alles, was MIR nützt“.
oder: „Gut ist alles, was der Arterhaltung nützt“
oder „Gut ist alles, was der Vielfalt dient“
Nein nein, ich gebe hier Pink Panther recht, Was gut ist und was böse, hängt vom Kontext ab.
Und ob es so etwas gibt, wie „das absolut Gute“, weiß ich nicht. Hingegen als Christ glaube ich sehr wohl, daß es den absolut Guten gibt.
Das ist dann derjenige, der in nicht einer einzigen dieser vielen Skalen auf die dunkle Seite rutscht.
meint
Euer Christoph
@Yeti „@Los Pongos, Zitat: “Es ist übel, dass sich die Leute genieren, über Gut und böse zu sprechen, zu denken, zu diskutieren”
Ich denke, genau das tun wir hier ja.“
Na, darum diskutiere ich ja hier………..
………..näheres in Kürze.
P.S.: Zitat: „nur noch die Triebbefriedigung“
Wir müssen lernen, Triebe als etwas Positives zu begreifen.
@Yeti: „gefällt mir“, da wird aber noch viel Wasser den Tiber entlang fließen 😉
nochwas, diesmal aus der Bibel: Mt 13,24-30
24 Und Jesus erzählte ihnen noch ein anderes Gleichnis: Mit dem Himmelreich ist es wie mit einem Mann, der guten Samen auf seinen Acker säte.
25 Während nun die Leute schliefen, kam sein Feind, säte Unkraut unter den Weizen und ging wieder weg.
26 Als die Saat aufging und sich die Ähren bildeten, kam auch das Unkraut zum Vorschein.
27 Da gingen die Knechte zu dem Gutsherrn und sagten: Herr, hast du nicht guten Samen auf deinen Acker gesät? Woher kommt dann das Unkraut?
28 Er antwortete: Das hat ein Feind von mir getan. Da sagten die Knechte zu ihm: Sollen wir gehen und es ausreißen?
29 Er entgegnete: Nein, sonst reißt ihr zusammen mit dem Unkraut auch den Weizen aus.
30 Lasst beides wachsen bis zur Ernte. Wenn dann die Zeit der Ernte da ist, werde ich den Arbeitern sagen: Sammelt zuerst das Unkraut und bindet es in Bündel, um es zu verbrennen; den Weizen aber bringt in meine Scheune.
Also, ich interpretier das so, daß die Zeit der Ernte eben noch nicht gekommen ist. Das heißt, wir sollen das Unkraut nicht ausreißen
Aber natürlich: man darf Unkraut Unkraut nennen und Weizen Weizen.
Man muß nicht sagen, daß Unkraut Weizen ist
darf man. Aber so manches „Unkraut“ ist ein nützliches Garten- oder Heilkraut. Aber wenn ich Weizen ernten will, dann stört mich das Unkraut. Wenn ich das Heilkraut will, verbrenne ich den Weizen, den ein „Gutmeinender“ auf meinen Acker gesät hat, weil er den Nutzen des Krautes nicht sah.
Man kann jedes Gleichnis zerlegen 🙂 meist sogar mit einer anderen Bibelstelle. Auch hier kommts wieder auf den Kontext an.
Und vielleicht wächst sich Einiges des anfänglichen „Unkraut“s ja noch zu einem stattlichen Getreide aus.
Vielleicht wollen gar nicht alle Leute in den Himmel kommen, vielleicht muss man dort wirklich den ganzen Tag mit der Harfe „..lujah“ oder „Hosianna“ rufen 🙂
Übrigens ist mir zum Triebthema noch eine modernens Gleichnis eingefallen: Ein Pfarrer will ein Auto kaufen. Eine Probefahrt? Aber Hochwürden, kein Verkehr vor verbindlicher Vertragsunterzeichnung, die selbsverständlich unwiderruflich gilt, bis das Auto (oder der Pfarrer – whatever comes first) den Geist aufgibt (nix mit Garantie oder verkaufen, weils nicht mehr richtig funktioniert oder so) 🙂
@Yeti, PP:
„Das Gute ist kontextabhängig.“
Hm. Eigentlich nicht.
Ich würde es so sagen: Die materielle Manifestation des Guten ist kontextabhängig. Das Gute selbst nur von Gott.
Meine Modellierung sieht also so aus: Das Gute wohnt den guten Taten inne. Sozusagen als ein amaterielles, aber auch für sich existentes.
Ich beziehe mich hier auf das Evangelium: „Sammelt euch Schätze im Himmelreich…wo sie keine Motte zerfressen, und kein Dieb stehlen kann….“
Und diese Schätze sind das Gute in unseren Taten. Oder so: Das Gute schlägt eine Brücke zwischen hier und dem Himmel, es ist sowohl hier als auch da.
Natürlich ist die gute Tat hier kontextabhängig; der Kontext ist also, bildhaft gesprochen, das „Ventil“, durch das das Gute in die Tat einströmt.
Aber: Das Gute selbst hat seine Quelle nur in Gut.
Wäre denn das Gute vom Kontext abhängig, so wäre mit dem Kontext auch das Gute verschwunden!
Das steht aber in diametralem Gegensatz zu jener Evangeliumsstelle: „Sammelt euch Schätze im Himmelreich…wo sie keine Motte zerfressen, und kein Dieb stehlen kann….“
Als Christ glaube ich aber auch an das Gute per se.
saludades,
Los Pongos
@Los Pongos.
Gut, ich glaube, ich verstehe jetzt was Du meinst.
Wenn wir im christlichen Kontext vom „Guten an sich“ sprechen, dann kann dieses „Gute an sich“ nicht vom Kontext abhängen (zumindest als Christ, der an jene Evangeliumsstelle glaubt, muss man davon ausgehen, dass das „Gute an sich“ nicht vom Kontext abhängt).
Wenn wir aber nur „ganz allgemein menschlich“ von „Gut und Böse im Sinne einer Bewertung“ sprechen, dann hängt dieses „Gute und Böse im Sinne einer allgemeinen Bewertung“ dann vom Kontext ab (also davon, welche „Art von Bewertung“ wir durchführen).
Im christlichen Kontext ist also das „Gute an sich“ vom Kontext unabhängig, während im „allgemeinmenschlichen“ Kontext das „Gute im Sinne einer Bewertung“ vom Kontext abhängig ist.
Habe ich dich jetzt richtig verstanden?
GLG
Christoph
@Yeti: Die Wortwahl ist nett selbstbezüglich: „im christlichen Kontext ist das Gute an sich kontextunabhängig“. Für mich hieße das, dass in der christlichen Betrachtungsweise eben der Kontext liegt, und sich die Kontexlosigkeit ad absurdum führt.
Für einen Nicht-Christen gilt der „christliche Kontext“ eben nicht und damit ist die zitierte Bibelstelle für diesen bedeutugslos. Oder anders: auch ein Christ darf/soll/muss(?) akzeptieren, dass auch andere Kontexte existieren, in denen das Gute per se nicht so vorhanden ist wie in der Bibel geschildert. Ob einer davon einer möglicherweise angenommenen zugrundeliegenden Wahrheit näher ist als der andere, ist wieder eine andere – am ehesten eine Glaubens- – Sache.