Tempelreinigung

Liebe Leser!

Wenn wir uns die biblische Geschichte von der TEMPELREINIGUNG vor Augen führen, dann scheint es auf den ersten Blick so zu sein, dass Jesus den Kapitalismus und das Geld an sich zum Feind hatte.

Denn diese Episode war, soweit wir das wissen, die einzige Gelegenheit, wo Jesus so richtig „in Saft“ gegangen ist. Wo er nämlich die Händler und Geldwechsler unter Gewaltanwendung aus dem Tempel entfernte, mit den überlieferten Worten: „Steht nicht geschrieben: ‚Mein Haus soll ein Bethaus heißen für alle Völker‘? Ihr aber habt eine Räuberhöhle daraus gemacht“ (Mk 11,17).

Es erscheint uns also keinesfalls als Wunder, dass drei der vier Evangelien diese Episode an den Anfang der Leidensgeschichte stellen. Zu provokativ ist dieses Verhalten gegenüber den geistlichen und weltlichen Eliten.

Gleich nach der Tempelreinigung schreibt Markus die Worte (Mk 11,18): „Die Hohenpriester und die Schriftgelehrten hörten davon und suchten nach einer Möglichkeit, ihn umzubringen. Denn sie fürchteten ihn, weil alle Leute von seiner Lehre sehr beeindruckt waren.“

Auch Lukas schreibt gleich nach der Geschichte über die Tempelreinigung (Lk 19,47): „Er lehrte täglich im Tempel. Die Hohenpriester, die Schriftgelehrten und die übrigen Führer des Volkes aber suchten ihn umzubringen.“

Von den himmlischen Dingen

Trotzdem würde ich die kecke Behauptung aufstellen, dass die Ermordung Jesu eigentlich auf einem Mißverständnis beruhte.

Denn, und ich unterstelle das einmal, es ging Jesus hauptsächlich um die persönliche Beziehung der Menschen mit ihrem Schöpfer, mit ihrem Vater, mit ihrem „Abba“ (das heißt eigentlich „Papi“).

Diese Beziehung zu Gott ist nun nicht im geringsten gleichzusetzen mit auch nur irgendeiner Beziehung im menschlichen Leben.

Unsere weltlichen Beziehungen sind IMMER geprägt von einem Geben und Nehmen, von einem Interessensausgleich, von einem „quid pro quo“ und von Angebot und Nachfrage.

Alle Versuche unsere menschlichen Beziehungen zu „optimieren“, zu „veredeln“ oder sonstwie zu „perfektionieren“, wie zum Beispiel im Kommunismus, sind – und das muss auch ich als eher linker Agent zugeben – kläglich gescheitert.

Nicht einmal die Mönche und Nonnen schweben wie Engel einher, sondern auch in einem Kloster kann es gewaltig menscheln (unterstelle ich mal).

Trotzdem, und gerade deswegen, ist unsere persönliche Beziehung zu Gott, unser Gebet, unsere Opfer, geprägt von einer unendlich hohen Ungleichheit. Gott ist nun mal „der Boss“ (sag‘ ich mal plakativ), und wir sind dringend abhängig davon, dass wir unsere Beziehung zu ihm aufrecht erhalten.

Und hier haben wir den Punkt, an dem Jesus seinen Zorn aufgehängt hat.

Die Händler und Geldwechsler im Tempel waren ja nicht irgenwelche Geldwechsler und Händler, sondern sie handelten mit Opfertieren.

Die Menschen waren also in ihrer Beziehung zu Gott dringend angewiesen auf diese Opfertiere und die Händler und Geldwechsler machten ein Geschäft aus der Notwendigkeit der Gottesbeziehung der Menschen. DAS IST BÖSE.

Aus der Gottesbeziehung der Menschen ein Geschäft zu machen, IST BÖSE.

Jesus ging es nicht um andere, alltägliche Geschäfte. Als man ihn fragte, ob man denn dem Kaiser Steuern zahlen sollte – der römische Kaiser war ja das Oberhaupt der Besatzungsmacht – sprach er sogar die überlieferten Worte: „So gebt dem Kaiser, was dem Kaiser gehört, und Gott, was Gott gehört!“ (Mt 22,21).

Von den irdischen Dingen

Das Böse ist es also, wenn man versucht, die himmlischen Dinge auf die Erde herabzuholen, und zu irdischen Dingen zu machen. Das haben schon die alten Griechen gewußt (ich muss immer wieder an Prometheus denken).

Wenn hingegen der Himmlische selbst herabsteigt, um unser irdisches Leben zu „verhimmlischen“, dann ist das ein Geschenk, das wir gerne annehmen sollen.

Und so können wir unsere alltäglichen „Geschäfte mit der Liebe“, unser „quid pro quo“, unser „do ut des“, unser „Angebot und Nachfrage“, unser „Geben und Nehmen“ und unsere verschiedenen Formen des Interessensausgleichs im Lichte Christi betrachten und sie haben dann in unserem „Außenleben“ nach wie vor einen Platz, sogar in unserer Beziehung zur Menschennatur Christi.

Nur die göttliche Natur des Sohnes, der Vater und der Hl. Geist sind diesen Mechanismen nicht zugänglich. Mit Gott können wir nun mal keine Geschäfte machen. Er ist „der Boss“.

Unser „Innenleben“, unsere „Seele“, soll aber ein Tempel Gottes sein, tief dort drinnen hat Geschäftemacherei nicht den geringsten Platz. Sonst machen wir unser „Innenleben“ auch zu einer Räuberhöhle.

Meint

Euer Christoph

2 Responses to Tempelreinigung

  1. Avatar von Kardinal Novize Igor Kardinal Novize Igor sagt:

    Ja, da stimme ich dir zu! Die Beziehung zu Gott ist nicht transaktional, da geht es nicht um einen Handel. Gott verschenkt sich bedingungslos – oder so : Das einzige, was wir tun müssen, ist das Geschenk anzunehmen.

    Die Mystiker drehen diese Betrachtung um, sie sagen (und ich halte das für grundrichtig), dass auch wir Gott lieben sollen, ohne dafür etwas zu erwarten.

    Damit will Gott uns sich ähnlich machen, scheint mir.

    Es ist auch tatsächlich so, dass wir trotzdem immer noch was „brauchen“: Essen, Trinken, Medizin usw. Wir sind noch nicht im Himmel….

    …..insoferne vergönne ich unseren braven Priestern ihre Leberkäsesemmel, die sie nach der Frühmesse gemütlich kauen!

    LG KNI

    • Avatar von Yeti Yeti sagt:

      Wenn Du nicht widersprichst, kann ich eigentlich nicht sinnvoll antworten.

      Aber ich entnehme Deiner Antwort eine leise Kritik, so als ob Du die Leberkässemmel der Priester vor mir in Schutz nehmen müsstest.

      Nein, auch ich werde Dir zustimmen.

      Der Kirchenbeitrag ist nämlich in der jetzigen Form keine Geschäftemacherei, sondern der gerechte Lohn für die Mitarbeiter der Kirche, die sich auf diese Lebensweise eingelassen haben, wo sie einen Dienst leisten, der ihnen weder Ruhm noch Reichtum verheisst, aber die stille Dankbarkeit von tausenden Menschen, denen man geholfen hat.

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